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  • vor 4 Tagen

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Transkript
00:00Musik
00:00Der Manila Express beginnt seine Fahrt quer durch die Metropole.
00:26Doch er hat seine Gleise nicht für sich allein.
00:30Musik
00:30Editha Heiko lebt, wohnt und arbeitet hier.
00:36Genauso wie etwa 70.000 andere Siedler.
00:42Mitten durch diese ungewöhnliche Nachbarschaft fährt der Lokführer Cesar Capena.
00:47Menschen und Bahn ringen hier täglich miteinander.
00:51Es geht ums Überleben und auch darum, wer am Ende bleiben wird.
00:54Musik
00:54Manila, Hauptstadt der Philippinen.
01:1915 Millionen Einwohner hat die Metropole und sie zieht weiterhin stetig Menschen aus den Provinzen an.
01:26Rund 5.000 strömen wöchentlich in die Stadt.
01:29Sie versprechen sich modernes Leben und Wohlstand.
01:31Doch die Megacity ist für die Bedürfnisse der vielen Einwohner nicht gerüstet.
01:38Staus gehören zum Alltag.
01:40Das schlechte öffentliche Transportsystem bremst den dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung.
01:45Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Manila eine damals hochmoderne Bahnlinie gebaut.
01:55Der nördliche Teil der Strecke ist inzwischen verfallen.
01:58Er wurde vor 25 Jahren stillgelegt und von den Anwohnern vereinnahmt.
02:06Die Südlinie wird noch genutzt.
02:08Sie dient vor allem als Nahverkehrsverbindung.
02:12Entlang der Gleise haben sich etwa 70.000 Siedler.
02:16Squatter, Landbesetzer werden sie genannt.
02:19Auf dem Grund der Bahn haben sie illegal Hütten, Häuser und Geschäfte errichtet.
02:24Sie teilen ihren Lebensraum mit der Bahn.
02:45Editha Heiko ist Fischhändlerin.
02:49Editha Heiko ist Fischhändlerin.
03:15Vormittags, wenn es zu warm für den Verkauf von frischem Fisch wird, beginnt sie ihn zu trocknen.
03:20Die Filets ziehen zuvor in einer Salzlake.
03:32Zur Zeit hat Edithas Tochter Justin Schulferien und kann daher ihrer Mutter helfen.
03:37Rinaldo Heiko, Edithas Mann, war Maschinenführer und ist seit 15 Jahren arbeitslos.
03:44Er übernimmt die Zubereitung des Bratfisches.
03:46Der gebratene Fisch hält sich auch ohne Kühlungsmöglichkeit einen Tag lang.
03:58Er ist besonders beliebt hier, weil viele Menschen nicht gerne selbst kochen.
04:01Editha ist 38 Jahre alt, hat einen Highschool-Abschluss und ist gelernte Sachbearbeiterin im Bankwesen.
04:14Arbeit hat sie in dem Beruf nie gefunden.
04:16Doch sie ist stolz auf ihr eigenes Geschäft.
04:19Von dem Ertrag ernährt Editha neben ihren fünf Kindern noch die Mutter und einen kranken Bruder mit zwei Kindern.
04:25Wir wohnen jetzt seit 15 Jahren hier an den Schienen.
04:33Mehr als 15 Jahre schon.
04:36Wir teilen das Haus mit meiner Mutter.
04:38Die lebte schon vorher hier.
04:40Meine älteste Tochter ist hier groß geworden.
04:44Das Leben hier an den Gleisen ist hart.
04:47Wenn du hier lebst, musst du fleißig sein.
04:49Du musst dich anstrengen.
04:51Dann kannst du essen.
04:53Sonst kümmert sich keiner um dich.
04:55Auch wenn du verhungerst.
05:04Der Fahrplan der Bahn gibt dem Leben auf den Schienen seinen Rhythmus vor.
05:0913 Mal fährt sie täglich die 33 Kilometer lange Strecke zwischen den Endhaltestellen Alabang und Tayuman hin und zurück.
05:16Cesar Capena ist seit 27 Jahren Lokführer bei der PNR, der Philippines National Railways.
05:26Er hat erlebt, wie die Strecke nach und nach von den Siedlern vereinnahmt wurde.
05:30Die Leute, die hier an den Schienen leben, sind schon lange ein großes Problem der Regierung.
05:39Es ist verursacht durch die Armut.
05:40Diese Menschen haben keinen anderen Platz zum Wohnen.
05:43Die meisten von ihnen kommen aus der Provinz.
05:47Nach und nach haben sie sich hier an den Schienen angesiedelt.
05:52Sie haben gebaut und manche Wohnungen sogar fest zementiert.
05:56Mittlerweile sind es teilweise große Häuser geworden, die sogar vermietet werden.
06:01Hier ist die Existenz der Leute.
06:02Wenn sie vertrieben werden, dann verlieren sie ihre Lebensgrundlage.
06:14Die Regierung will die Bahn sanieren.
06:18Doch vor 14 Jahren wurde ein Gesetz verabschiedet, das es schwierig macht, einmal von Squattern besetzten staatlichen Boden zu räumen.
06:25Illegale Siedler können nur dann vertrieben werden, wenn ihnen ein Ersatzgelände gestellt wird.
06:32Editha Chaiko ist auf ihrer Verkaufsrunde.
06:38Sie und ihre Nachbarn fahren fast nie mit der Bahn.
06:41Sie verlassen die Gleise nur selten.
06:43Fast alles, was die Menschen hier zum täglichen Leben brauchen, können sie zu Fuß erreichen.
06:48Manche betreiben kleine Geschäfte wie Editha.
06:51Viele aber leben von Gelegenheitsjobs oder haben gar keine Arbeit.
06:55Sie verbringen den ganzen Tag auf, neben und zwischen den Gleisen.
07:02Der Preis von vier für ein Fünferpack.
07:11Nicht größer?
07:13Die sind doch groß.
07:14Ich gehe jetzt.
07:15Bis später.
07:16Ich muss jetzt verkaufen.
07:17Edithas Freunde, der Lehrer Angel Alibayan und seine Frau Jennifer, leben hier am Streckenabschnitt Batangas, trotz der Gefahr.
07:31Es ist riskant.
07:33An den Schienen zu leben ist gefährlich.
07:36Die Bahn fährt zu dicht an den Häusern.
07:37Wenn die Kinder spielen, muss man sich ständig begleiten.
07:41Man muss dauernd aufpassen.
07:43Denn manchmal ist die Bahn ganz plötzlich da.
07:49Dann musst du, auch wenn du schläfst, aufspringen, um nach den Kindern zu sehen.
07:58Mit durchschnittlich 35 Kilometern in der Stunde rattert der Zug durch die Schneise.
08:03Die Schienen sind Treffpunkt, Waschküche, Badestube und Spielplatz zugleich.
08:13Die Filipinos spielen gern.
08:15Aus dieser Vorliebe haben einige Swatter eine ungewöhnliche Einkommensquelle entwickelt, die Kükenlotterie.
08:22Frisch geschlüpfte Küken werden gefärbt und bemalt.
08:25Sie dienen als Gewinne einer mobilen Verlosung.
08:28Wollt ihr mitspielen, damit ihr ein Küken gewinnen könnt?
08:37Editas Nachbarin, Lucia Planas, lebt seit vielen Jahren von diesem Geschäft.
08:42Einen Peso, anderthalb Cent, kostet der Einsatz.
08:46Mit etwas Glück wird im Wasserbad der richtige, zuvor unsichtbar mit Zitrone geschriebene Buchstabe sichtbar.
08:58Vorsicht, das Küken ist schnell.
09:04Du hast gewonnen, welches möchtest du?
09:11Hier, hier ist es.
09:14Später wird aus dem Küken entweder ein Suppenhuhn oder ein Kampfhahn, je nach Geschlecht.
09:19Lucia Planas hat ein Auge auf die Kinder. Sie kennt die Gefahr, die vom Zug ausgeht, aus eigener Erfahrung.
09:33Nachdem ich geduscht hatte, habe ich begonnen, die Küken in den Käfig zu setzen.
09:37Ich habe mich gebückt. Es kamen zwei Züge gleichzeitig, das habe ich nicht bemerkt.
09:42Der eine kam so rum, der andere so rum.
09:46Ich habe nicht gehört, wie sie gehupt haben.
09:52Ich habe es nicht gehört. Ich habe weitergearbeitet am Käfig.
09:56Plötzlich gab es einen Schlag. Ich wurde weggeschleudert. Überall war Blut.
10:00Dann haben die Leute mich ins Krankenhaus gebracht.
10:02Den Lokführern gebe ich keine Schuld. Es ist doch ihr Weg hier.
10:14Es ist unsere Schuld, weil wir hier wohnen.
10:16Aber wir wissen nicht, wo wir sonst hin sollen.
10:19Deswegen sind wir gezwungen, hier zu bleiben.
10:21Wir können die Lokführer nicht anklagen, weil es doch eigentlich ihr Weg ist.
10:25Offiziell zählt die PNA pro Jahr durchschnittlich 35 Unfälle.
10:33Cesar Karpena hat in seinem Arbeitsleben 20 Menschen verletzt und sechs getötet.
10:39Im Vergleich zu seinen Kollegen ist das eine beinahe positive Bilanz und dennoch ein persönliches Drama.
10:48Mein erster Unfall war in Albtraum. Ich habe einen meiner Fahrgäste überfahren.
10:55Er ist ausgestiegen und zu Fuß losgegangen.
10:59Einige Sekunden später ist er plötzlich vor den Zug gelaufen.
11:02Ich habe ihn erfasst. Er war sofort tot.
11:07Danach konnte ich lange nicht mehr schlafen.
11:10Ich mochte auch nicht essen.
11:11Ich wollte am liebsten alles hinschmeißen.
11:13Zum ersten Mal hatte ich einen Menschen getötet.
11:19Nach dem Unfall hat Cesar Karpena eine Zeit lang versucht, neue Arbeit zu finden.
11:24Ohne Erfolg.
11:25Er ist Vater von fünf Kindern.
11:28Sein jüngster Sohn ist zehn Jahre alt.
11:30Großvater ist Cesar auch schon.
11:32Er kann es sich nicht leisten, den Job ohne Alternative hinzuschmeißen.
11:3620 Pesos kostet eine Fahrt. Das sind 30 Cent.
11:58Die Bahn ist ein günstiges Transportmittel.
12:00Allerdings ist die W nicht zuverlässig und komfortabel.
12:04Nicht selten bleiben die Loks unterwegs liegen.
12:07Manchmal fehlt der Diesel.
12:09Außerdem stinken die Abwasserkanäle hinter den Häusern der Siegler.
12:12Manchmal gibt es Leute da draußen, die uns nass machen, mit Steinen bewerfen.
12:24Das ist das, was wir hier mitkriegen.
12:26Einige laufen hinterher und springen auf den fahrenden Zug auf, um mitzufahren.
12:30Die Siedler sind nicht das einzige Problem der Bahngesellschaft.
12:44Die PNR ist heruntergewirtschaftet.
12:46Jede Fahrt ein Verlust.
12:48Die Loks sind alt und schwach, daher können sie höchstens acht Waggons ziehen.
12:52Selbst wenn die Bahn voll besetzt ist, kommt das Geld für den Treibstoff nicht herein.
13:01Habe ich einen Hunger?
13:05Hier, ich gebe dir schon zwei.
13:07Der Elektriker ist einer von Editas Stammkunden.
13:20Jeder hier nennt ihn Chairman, Vorsitzender oder Boss.
13:24Doch keiner weiß mehr warum.
13:26Trotz des harten Existenzkampfes halten die Menschen an den Schienen zusammen.
13:31Sie haben gelernt, tolerant zu sein.
13:33Aggressionen und Kriminalität gibt es kaum.
13:37Die werde ich jetzt als Beilage essen.
14:00Chairman, der Elektriker, soll einen Stromanschluss legen.
14:03Ein wichtiger Boxkampf ist angekündigt.
14:06Da nicht jeder einen Fernseher besitzt, wollen einige der Nachbarn ihn gemeinsam anschauen.
14:11Der Lohn für seine Dienste beträgt umgerechnet zwischen 75 Cent und 1,50 Euro.
14:17Er macht seine Preise abhängig von der Geldbörse seiner Kunden.
14:20Die meisten elektrischen Anschlüsse der Siedler sind illegal.
14:31Nicht selten fällt im gesamten Viertel der Strom aus, weil die Leitungen der Energiegesellschaft nicht für die vielen illegal angeschlossenen Haushalte ausgelegt sind.
14:40Chairman lebt von dem ungesetzlichen Gewerbe.
14:42Seine Arbeit ist lebensgefährlich.
14:43Er ist lebensgefährlich. 220 Volt Spannung liegt auf den Leitungen.
14:47Was ich hier mache, ist ein Anschluss unter Strom.
15:06Das ist schwere Arbeit unter solchen Bedingungen.
15:08Die Leitung steht unter Strom.
15:12Da musst du wissen, was du tust, bei dieser Art von Anschluss.
15:17Ich habe den Beruf nicht gelernt.
15:19Das ist eine Sache der Erfahrung.
15:38Editha führt genau Buch über jede noch so kleine Ausgabe,
16:08Sie nimmt täglich umgerechnet zwischen 10 und 12 Euro ein.
16:14Tag für Tag ist aber ungewiss, ob abends genug Geld übrig bleibt, um neuen Fisch zu kaufen.
16:19Wenn die täglichen Ausgaben zu hoch waren, muss Editha sich Geld leihen.
16:23Das kommt häufig vor.
16:25Editha hat viele Schulden.
16:27Das wirtschaftliche Überleben der Siedler hängt stark von den Geldverleihern des Viertels ab.
16:31Ihr Name, Bombay, ist abgeleitet von der Stadt Bombay.
16:35Die meisten von ihnen sind Inder.
16:37Die Bombays verleihen 5 für 6.
16:40Wer sich 500 Pesos leiht, muss 600 zurückzahlen.
16:43Kannst du mir noch 500 leihen?
16:46Hol mal die Liste.
16:50Wie viel muss ich täglich zahlen?
16:5310.
16:53Bei dem Geschäft gibt es weder Verträge noch Sicherheiten und es ist ungesetzlich.
17:06Wenn die Menschen nicht bezahlen, hat der Bombay keine Handhabe.
17:09Er muss warten.
17:10Meist zahlt sich die Geduld aus, denn die Leute wissen, dass sie sonst nie wieder Kredit bekommen.
17:15Es ist frühe Abend geworden.
17:41Justin bereitet das Essen vor.
17:45Editha hat letzte Nacht mies Muscheln vom Fischmarkt mitgebracht.
17:48Die gibt es heute als Beilage zur täglichen Reismahlzeit.
17:50Zum Essen zieht sich die Familie in ihr einziges Zimmer in der ersten Etage zurück.
18:01Das ist gut, dass sie sich in der ersten Etage zurückzahlen.
18:31Sisa Carpena kommt an diesem Tag ein letztes Mal an Edithas Haus vorbei.
18:40Er sieht die Armut der Siedler auf jeder Fahrt seit Jahren.
18:43Er gibt der Regierung die Schuld für die Situation.
18:4620 Prozent Arbeitslosigkeit und Korruption belasten das Land.
18:50Die Regierungsbilanz der Präsidentin Gloria Macabagal Arroyo ist ernüchternd.
18:55Jetzt stellt sie sich erneut zur Wahl.
19:01Sisa lebt außerhalb Manilas.
19:06Um die täglichen Ausgaben für die Fahrt nach Hause zu sparen,
19:10übernachtet er während der Woche in einer Lokführerunterkunft am Bahnhof Tayumang.
19:20Sisa ist heute 53 Jahre alt.
19:23Er wäre gerne Rechtsanwalt geworden.
19:26Um seine Familie zu ernähren, nahm er den Job bei der Bahn an,
19:29der ihm bis heute oft die Nachtruhe raubt.
19:32Wie fast jeden Abend macht sich Editha um 11 Uhr auf den Weg zum sieben Kilometer entfernten Fischereihafen.
19:54Ihr Sohn Jerome begleitet sie.
19:56Er muss auf den gekauften Fisch aufpassen, während Editha weiter einkauft.
20:00Sie nehmen einen Djebni, ein typisch philippinisches Sammeltaxi.
20:05Die Djebnis pendeln auf festen Strecken hin und her.
20:08An jeder Stelle kann man zusteigen.
20:10Das ist zu teuer.
20:33Editha kann in dieser Nacht für 1500 Pesos 23 Euro Fisch kaufen.
21:00Mit ihrem Budget kann sie meist nur kleine und billige Fische erstehen.
21:05Oft braucht sie bis zum frühen Morgen, bis sie genug erschwingliche Ware gefunden hat.
21:16Editha hat endlich gute und günstige Ware gefunden.
21:20Sie muss genau aufpassen.
21:21Die Verkäufer beschummeln ihre Kunden ganz gerne.
21:23Das ist meins.
21:30Rund 30 Kilo Fisch hat Editha für ihr Geld bekommen.
21:34Darüber ist es 3 Uhr morgens geworden.
21:36Rund 30 Kilo Fisch hat Editha für ihr Geld bekommen.
22:06Er wird in der Zeit, um zu säubern und zu filetieren.
22:07Einen Teil brät er später, manche werden in Salzlage gelegt und getrocknet, andere als Frischfisch verkauft.
22:15Editha kann währenddessen zwei Stunden schlafen.
22:17Der frühe Morgen, wenn es noch kühl ist, ist die Zeit der Hahnenkampfliebhaber.
22:31Morgengymnastik und ein kurzer Trainingskampf halten die Tiere fit.
22:34Hahnenkampf ist Volkssport auf den Philippinen.
22:53Die Regeln sind so einfach wie brutal.
22:55Nur einer überlebt.
22:57Der Verlierer landet im Kochtopf.
22:58Editha überfliegt ein Informationsblatt zur Wahl.
23:07Rund 43 Millionen Filipinos sollen heute über ihr Staatsoberhaupt abstimmen
23:12und zugleich mehr als 17.000 Landes-, Provinz- und Lokalvertreter wählen.
23:17Die Politiker stammen meist noch immer aus der reichen Oberschicht.
23:21Aber sie haben die große Masse der Armen als Wähler entdeckt.
23:30Dani Verona ist Counselor, eine Art Abgeordneter der Stadt Manila.
23:34Er möchte wiedergewählt werden und versucht, sich die Stimmen der Siedler zu sichern.
23:38Oh, bist du schön. Wie geht es euch? Dein Kind ist aber süß.
23:48Dani Verona unterstützt das Programm der Regierung zur Erneuerung der Bahnlinie und zur Umsiedlung der Squatter.
23:55Darf ich mich vorstellen? Ich bin Dani Verona, Counselor.
23:59Ich bin Mitglied im Komitee für das Umsiedlungsprojekt.
24:01Das läuft so. Man zahlt nur 1200 Pesos monatlich, für 25 Jahre.
24:10Können Sie das? Ist das machbar?
24:13Könnten Sie Ihr Einkommen nicht steigern?
24:20Wie sollte ich? Ich kann mir vielleicht vieles kaufen, aber das Geld dafür muss ich mir leihen.
24:25Ich werde das dann mal weiter sagen.
24:36Ja dann, vielen Dank.
24:44Für Editha ist der Vorschlag illusorisch.
24:46Editha hat in den letzten 24 Stunden nur vier Stunden geschlafen.
25:05Sie ist einfach nur müde.
25:07Einmal täglich verlässt die Bahn Manila Stadt in Richtung Süden.
25:23An der Strecke 47 Kilometer außerhalb liegt die Gemeinde Kabujau.
25:28Hierher sind im November 2003 50 Squatterfamilien freiwillig umgesiedelt.
25:337000 Familien, so der Plan, sollen demnächst hier untergebracht werden.
25:38Anreiz ist ein günstiger Kredit, der den Siedlern die Abzahlung der Bau- und Grundstückskosten über 25 Jahre ermöglicht.
25:50Joel Tampol, Barmann in Manila, bereut seinen Entschluss nicht.
25:54Hier zu leben ist in Ordnung.
26:03In Manila an der Bahn weißt du ja nie, was dir passieren könnte.
26:06Das Leben dort ist auch schwierig, weil man nicht schlafen kann, weil man immer an die Kinder denken muss.
26:12Immer denkt man daran, was passieren kann.
26:14Hier ist es okay.
26:16Es ist eigentlich ganz schön hier, auch wenn es weit weg ist.
26:19Wir versuchen das Haus so nach und nach fertig zu bauen.
26:28Viele Verwandte und Freunde von Joel Tampol würden auch gerne umsiedeln.
26:33Aber die Umsiedlungsbehörde hat ihnen keine Angebote gemacht.
26:37Sie rührt sich trotz Nachfragen nicht.
26:38Bei der Umsiedlungsbehörde bekommt man keine Aussage, ob und wann mit der Sanierung der Bahnstrecke begonnen wird,
26:47obwohl der stellvertretende Leiter Joseph Peter Cezan klare Ziele definiert.
26:56Wir müssen die Schienen freimachen, weil wir den Bahnbetrieb wieder aufnehmen wollen.
27:00Von Groß Manila in Richtung Laguna und von Groß Manila nach Pampanga.
27:03Damit der Bahnbetrieb schnell und ordentlich läuft, müssen wir das Gelände räumen,
27:09damit keine Unfälle mehr passieren und der Zug schneller fahren kann.
27:21Trotzdem herrscht in der zuständigen Abteilung seit Monaten Stillstand.
27:25Keine Konferenzen, keine Besprechungen und genauso wenig Arbeit.
27:28Wir mussten die Zerstörung der Häuser und die Umsiedlung der Familien an der Nordstrecke und an der Südstrecke stoppen.
27:38Das liegt an der bevorstehenden Wahl.
27:40Deswegen musste die Aktion auf Eis gelegt werden.
27:43Nach der Wahl kann man mehr sagen, wie es weitergeht.
27:48Den kühnen Ankündigungen der Präsidentin zufolge sollte die Sanierung der Bahnstrecke schon im ersten Quartal dieses Jahres abgeschlossen sein.
27:56Nun entscheidet die Wahl, ob das gerade zaghaft begonnene Umsiedlungs- und Sanierungsprogramm weitergeführt wird oder nicht.
28:10Editha hat zwiespältige Gefühle, wenn sie an die Umsiedlung denkt.
28:14Dieses Umsiedlungsprogramm der Regierungen. Ich bin grundsätzlich dafür. Es wäre vorteilhaft.
28:25Ich möchte nicht, dass meine Kinder für immer hier bei den Squattern aufwachsen.
28:29Aber wegen meines Einkommens mache ich mir Sorgen.
28:32Woanders müsste ich wieder neu anfangen.
28:34Ich könnte im Prinzip alles Mögliche erarbeiten.
28:37Aber für einen Neubeginn fehlt mir das Kapital.
28:39Ich möchte nicht, dass sie bei einer Umsiedlung nicht mehr zur Schule gehen kann.
29:03Zwei Bahnstationen entfernt, in Santa Mesa, hatten die Anwohner eine geniale Geschäftsidee.
29:08Sie betreiben eine Art Taxigeschäft mit selbstgebauten Schienenfahrzeugen, die hier Trolleys genannt werden.
29:1543 Fahrer machen hier der Bahn Konkurrenz.
29:18Acht bis zehn Pesos, umgerechnet 15 Cent, kostet eine Fahrt pro Person.
29:26Heute sind viele Leute unterwegs.
29:28Auch Edithas Nachbar, der Lehrer Angel Alibayan, mit seiner Familie.
29:32Wegen der Wahl hat Anthony Rosales' Geschäft Hochkonjunktur.
29:36Tollifahrer zu sein, ist anstrengend und gefährlich.
29:59Ganz besonders für die, die neu sind.
30:02Die wissen nicht, wie man damit umgeht.
30:04Aber auch für mich.
30:06Ich bin zwar schon erfahren, aber ich habe trotzdem immer noch Angst vor dem Zug.
30:18Anthony hat das Geschäft von seinem Vater gelernt.
30:21Der hat ihm auch den ersten Trolley gebaut.
30:23Inzwischen kann man für 2000 Pesos, also 30 Euro, einen guten Trolley kaufen.
30:33Anthony verdient an diesem Wahltag doppelt so viel wie gewöhnlich.
30:37Dennoch fürchtet er den Ausgang der Wahlen.
30:39Wenn dieses Programm zur Erneuerung der Bahn durchgeführt wird, dann verlieren wir unsere Arbeit.
30:49Wir wissen nicht, ob wir dort, wo wir hin sollen, Arbeit finden.
30:51Ob wir da was verdienen können.
30:54Deshalb haben wir entschieden, dass wir hier bleiben und nicht umsiedeln.
30:56Edithas Mutter, Senayda Kalimlim, hat Fieber bekommen und nimmt eine Tablette.
31:17Sie verträgt die schlechten Lebensumstände und das schwülheiße Klima nicht mehr so gut.
31:21Nach einigen Regentropfen ist die Luft so feucht, dass es schwerfällt zu atmen.
31:26Blutdruck. Möchten Sie vielleicht Ihren Blutdruck messen?
31:36Ein Kittel und ein Blutdruckmessgerät reichen, um eine bescheidene neue Einkommensquelle zu erschließen.
31:47Rauchen können Sie später.
31:56100 zu 70.
32:02Ist das gut so?
32:04Das ist ein bisschen niedrig.
32:09Haben Sie noch 5 Pesos für mich?
32:13Danke.
32:14Wir wollen Ihren Blutdruck messen.
32:44Manchmal hat sie ein wenig hohen Blutdruck.
32:58140 zu 85.
33:04Vielen Dank.
33:06Senaydas Blutdruck ist normal.
33:08Die Ausgaben für die Tabletten hat Editha von dem Geld für den Fischeinkauf abgezweigt.
33:14Nun muss sie wieder Geld leihen.
33:17Die Bumbais haben einen schlechten Ruf bei den Squattern.
33:20Die Siedler wissen, dass 20 Prozent ein hoher Zinssatz sind.
33:24Aber sie brauchen die Bumbais genauso wie diese ihre Kundschaft.
33:28Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit funktioniert das Geschäft.
33:31600 Pesos, 9 Euro, fehlen Editha für den Fischeinkauf.
33:42Weil bald Schulbeginn ist und sie auch noch neue Hefte für die Kinder braucht, bittet sie erneut um Geld.
33:49Kriege ich noch zusätzlich 1000?
33:51Der Bumbais bleibt freundlich, ohne sich festzulegen.
34:03Er will darüber nachdenken.
34:04Schlafmangel, Geldsorgen und die unsichere Zukunft an der Bahn.
34:30Manchmal fühlt Editha sich alleingelassen.
34:32Bis jetzt hat mein Mann keine Arbeit gefunden.
34:40Irgendwann hat er dann aufgegeben, sich zu bemühen.
34:42Er hat resigniert.
34:44Jetzt ist er nur noch von mir abhängig.
34:47Er hilft mir zwar, aber das reicht nicht.
34:49Wir bräuchten ein zusätzliches Einkommen.
34:52Wir sind eine große Familie.
34:55Wir sind sehr, sehr knapp.
34:56Diese Geldsorgen.
35:02Ich frage immer wieder, Gott, wie soll ich das überleben?
35:06Ich habe schon viele Male überlegt zu flüchten, ihr das Leben zu nehmen.
35:10Aber ich kann es nicht tun, weil ich immer an meine Kinder denke.
35:14Der erste richtige Schauer in diesem heißen Sommer kündigt die bevorstehende Regenzeit an.
35:42Er bringt endlich Kühlung und Erfrischung.
35:46Die Menschen atmen auf.
35:47Auch Editha geht zur Wahl.
36:07Für sie ist es wichtig, die noch junge Demokratie zu stützen.
36:09Die gegenwärtige Verfassung der präsidentialen Demokratie wurde im Jahr 1987 verabschiedet.
36:31Ein Jahr zuvor endete die Marcos-Diktatur.
36:34Demokratie und freie Wahlen sind auf den Philippinen noch immer eine schwierige Übung.
36:40Während des Wahlkampfes wurden 25 Menschen bei Unruhen getötet.
36:45Einflussreiche Großgrundbesitzerfamilien haben die meisten Schlüsselpositionen des politischen und wirtschaftlichen Lebens inne.
36:52Sie sorgen dafür, dass die dünne Schicht der Reichen nicht ärmer und die Masse der Armen nicht reicher wird.
36:58Editha gibt auf Kontinuität hoffend ihre Stimme der amtierenden Präsidenten.
37:10Dass bei einem Wahlsieg der derzeitigen Regierung das Umsiedlungsprogramm konsequent verfolgt wird, kann Editha nicht glauben.
37:17Zu lange ist schon davon die Rede.
37:18Beistand erwartet Editha von anderer Seite. Zweimal in der Woche geht sie zum Kirchenchor.
37:27Wenn ich in der Kirche bin, vergesse ich all meine Schwierigkeiten.
37:35Ganz besonders, wenn wir zusammen singen.
37:38Wir lachen zusammen, beten zusammen.
37:40Dann fühle ich mich unbeschwert.
37:43Manchmal möchte ich gar nicht wieder nach Hause.
37:46Aber ich gebe mein Leben Gott in die Hand.
37:49Ich akzeptiere mein Schicksal so, wie er es mir gibt.
37:52Ich bin ein Schicksal so, wie er es mir gibt.
37:57Ich bin ein Schicksal so, wie er es mir gibt.
38:27Send me, Lord, for your love.
38:32For your love.
38:36You made me understand the pain you bore for us.
38:41Because of love, you became the victim for humanity.
38:48Why desire nothing more in this world
38:53than to give myself to you.
38:56As I beat him, of your love.
38:59I love you, Lord.
39:02Yes, I love you, Lord.
39:05And I wish to be a living sacrifice.
39:10Of your love.
39:13Cesar hat Pause.
39:22Er spekuliert mit seinen Kollegen über den Ausgang der Wahlen.
39:26Die endgültigen Ergebnisse werden sie erst Wochen später erfahren,
39:29wenn alle Wahlbehälter aus den Provinzen in Manila eingetroffen sind.
39:33Cesar hat wenig Vertrauen in die Politiker.
39:35Für ihn bleibt unverständlich, wie sie der Situation an den Schienen so lange tatenlos zusehen konnten.
39:41Es gehört zu dieser Arbeit, Leute zu überfahren.
39:51Am Anfang war ich nicht an solche Unfälle gewöhnt.
39:54Nach einer so langen Zeit wird es dann irgendwann fast normal.
40:06Die Unfälle werden normal.
40:15Es sollte nicht so sein, aber gehört doch zum Alltag dieser Arbeit.
40:19Es ist leider unvermeidbar.
40:24Es ist leider unvermeidbar.
40:54Jeden Tag, bevor er losfährt, betet Cesar inständig zu Gott, dass er ihn leitet und dafür sorgt, dass nichts passiert.
41:09Editha erahnt hinter dem Stahlkoloss den Menschen.
41:30Man merkt, ob ein Lokführer schnell fährt und rücksichtslos ist oder nicht.
41:51Ich habe da schon Erfahrung gesammelt.
41:52Einmal war ich total übermüdet vom Fischeinkauf in der Nacht.
41:58Ich war dabei, die Fische zu trocknen.
42:01Der Zug hat gehupt.
42:02Ich habe ihn nicht gehört, ich war nicht ganz bei mir.
42:10Dann hat er plötzlich neben mir gehalten.
42:13Hätte er nicht, wäre ich tot gewesen.
42:17Das war ein vorsichtiger Lokführer.
42:18Cesar Carpena und Editha Chaiko sind sich nie bewusst begegnet.
42:34Dennoch haben sie Respekt und Verständnis füreinander.
42:37Sie versuchen mit der engen Nachbarschaft von Mensch und Bahn so gut wie möglich umzugehen.
42:42Eine Nachbarschaft, die es nicht geben sollte und die dennoch andauert.
42:45Eine Nachbarschaft, die es nicht geben sollte.
43:15Eine Nachbarschaft, die es nicht geben sollte.

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