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00:00Am 14. Dezember 1965 in den frühen Morgenstunden fährt ein Barkas durch die Leipziger Südvorstadt.
00:10Ein Gefangener aus der Dresdner Untersuchungshaft wird in die Alfred-Kästner-Straße gebracht.
00:16Hier, in der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR, soll der Mann unter dem Fallbeil sterben.
00:30Radeburg 1964. Das Städtchen bei Dresden ist noch schwer vom Krieg gezeichnet.
00:41Doch der Karneval, der wird schon damals groß gefeiert.
00:51So tönt der Schlachtruf der Radeburger Toilitäten durch die kleine sächsische Stadt.
00:56Doch 1964, da bleibt es nicht beim Einsatz der Narrenpolizei.
01:05Denn Radeburgs Karneval wird von einem Verbrechen überschattet.
01:11Das Gastwirtsehepaar Paul und Else Tomschke wird bestialisch umgebracht.
01:18Tatort, die Gaststätte zum Hirsch, direkt im Zentrum von Radeburg.
01:26Bis heute ist die Gaststätte zum Hirsch, Mittelpunkt des öffentlichen Lebens in Radeburg.
01:32Seit der Wende ist Ute Klimke die Wirtin.
01:351964 in der Karnevalssaison war sie elf Jahre alt.
01:39Wir hatten Angst, wir mussten dann später die nächsten Tage immer zeitig zu Hause sein.
01:49Die Eltern haben richtig aufgepasst auf uns, so lange bis man eben den Mörder gefasst hatte.
01:55Ihre Mutter, Edith Herwagen, kann sich noch gut an den schrecklichen Mord erinnern.
01:59Sie und ihr Mann Manfred waren 1964 das amtierende Prinzenpaar.
02:06Es war ja Auflauf hoch drei, für so eine kleine Stadt von viereinhalbtausend Einwohnern.
02:16Mehr waren wir nicht.
02:17Die Menschen wurden alle aufgeregt, bis dann das so weit kam, dass sie Paul und Else gefunden haben.
02:25Mitten in den Karnevalsvorbereitungen verschwindet das Ehepaar Tomschke.
02:31Zwei Tage tauchen sie nirgendwo auf.
02:365. November 1964.
02:39Nach zwei Ruhetagen will Reinemacherfrau Erika Schuster die Gaststätte für das Wochenende putzen.
02:46Zum Tanz im Festsaal werden 1000 Gäste erwartet.
02:49Als die Reinigungskraft die hintere Tür aufschließt, ist alles dunkel.
02:55Morgen!
02:58Auf dem Fußboden und an der Tür klebt Blut.
03:02Die Küchentür, normalerweise über Nacht verschlossen, lässt sich öffnen.
03:07Erika Schuster wird es unheimlich.
03:10Frau Tomschke?
03:13Hallo!
03:15Frau Tomschke?
03:15Erika Schuster befürchtet, dass der 72-jährige Paul Tomschke wieder einen Blutsturz erlitten haben könnte und hilflos im Schlafzimmer liegt.
03:27Doch da ist niemand.
03:36Edith Herwagen kann sich noch gut daran erinnern, dass Paul Tomschke hohen Blutdruck hatte und deshalb früher schon mal ins Krankenhaus musste.
03:43Sie und ihr verstorbener Mann Manfred haben oft bei den Tomschkes ausgeholfen.
03:52Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis.
03:54Der Paul fuhrende mehr Auto und wenn die dann im Hirsch einen Fahrer brauchten, dann kamen die zu uns und haben gesagt,
04:02du fährst du mal Paul schnell, die Elze, fährst du Paul mal schnell zum Arzt oder holst du uns mal schnell das.
04:09Da waren wir immer mit, um zu helfen.
04:12Wirth Paul Tomschke ist spendabel, lässt anschreiben und verleiht Geld.
04:23Elze Tomschke kümmert sich um Gäste und Personal.
04:26Der Herrsch eine Institution in Radeburg.
04:29Und kein Geheimnis, dass die Tomschkes wohlhabend sind.
04:32Die Wäscheschränke waren voll und die Teppiche lagen übereinander und Schmuck.
04:39Das haben die alles gehabt. Die haben es in Massen gehabt.
04:44Erika Schuster ruft die Volkspolizei.
04:47Am Nachmittag rücken die Genossen an.
04:49Erika Schuster hat auch die Serviererin geholt. Die Frauen sind zutiefst beunruhigt.
05:07Die sind wie vom Erdböden verschwunden. Und hinten an der Tür habe ich Blut gefunden.
05:14Erika Schuster geht mit den Männern der Volkspolizei durch den Gastraum nach hinten.
05:18In einer feuchten Blutlache vor der Küchentür entdecken sie den Abdruck eines Schuhs.
05:25Könnten die Spuren von Paul oder Elze Tomschke stammen?
05:32Die Ermittler machen Fotos für die kriminaltechnische Auswertung.
05:37Diese Fotos werden heute in der Polizeihistorischen Sammlung Dresden aufbewahrt.
05:41Von Polizeihauptkommissar Wolfgang Schütze sorgfältig kuratiert.
05:44Sie zeigen eindrucksvoll, wie die polizeiliche Arbeit damals funktionierte.
05:51Ohne moderne Kriminaltechnik.
05:55Wenn man die damalige Zeit nimmt, waren so Sporenaufkommen von 30 bis 40 Sporen schon viel.
06:03Heutzutage können es ohne weiteres zwischen 300 bis 500 sein.
06:07Weil zu den klassischen Sporen kommt noch dazu die DNA.
06:12Die ganze Frage Computer, Handy, soziale Medien, wenn die alle mit ausgewertet werden müssen.
06:21Auch die Technik hat sich gravierend verändert.
06:25Damals war der klassische Fotoapparat mit dem klassischen normalen Film.
06:30Heute haben wir Digitalkameras.
06:31Wir können schon ohne weiteres am Tater ziehen, ist womöglich die Aufnahme nicht so schön geworden.
06:37Da kann man sie noch mal verändern, schöner machen.
06:41Das war damals alles nicht möglich.
06:43Umso akribischer mussten die wenigen Spuren ausgewertet werden.
06:48Die polizeiliche Ermittlungsarbeit, ein Handwerk, das natürlich auch in der DDR gelehrt wurde.
06:53Der Radeburger Kriminalfall eignete sich für die Ausbildung der jungen Volkspolizisten sogar ganz besonders gut.
07:00Aufgrund der guten kriminalistischen Arbeit ist er damit zum Lehrfall geworden für die Ausbildung der Kriminalisten.
07:09Und diese Tafeln, die Sie hier hinter mir sehen, standen ja im Lehrkabinett für Kriminalistik an der ehemaligen Offiziersschule in Aschersleben.
07:17Und sind so dann heute das allererste Mal überhaupt für die Öffentlichkeit ausgestellt.
07:23Die Schuhspuren werden von den Volkspolizisten mit einer Gelmasse konserviert und seinem Gutachter geschickt.
07:30Das würde die Polizei heute genauso machen.
07:33Der Gutachter soll herausfinden, was für ein Schuh den Abdruck hinterlassen hat.
07:37Die Serviererin ist die letzte, die das Ehepaar Tomschke gesehen hat.
07:46Sie hat in der Nacht vom 2. auf den 3. November gearbeitet.
07:50Eine ganz normale Schicht, ohne besondere Vorfälle gibt sie zu Protokoll.
07:56Aber sie kann genaue Angaben über die Gäste machen.
07:59Bei der Tatortbesichtigung stellt sich heraus, dass im Lager Schnaps, Lebens- und Genussmittel fehlen.
08:20Das fehlt alles. Hier war Kakao, hier war Kaffee, Schokolade.
08:26Das war hier alles?
08:27Im Festsaal fehlt das Wechselgeld, das Paul Tomschke abgezählt in Kaffeetassen für die Kälner bereitstellte.
08:36In der ersten Tasse waren ein Pfennigstücke, in der zweiten waren immer fünf Pfennigstücke.
08:44Das gibt fünf Schreibmark, genau.
08:46Ist das noch was, was er überleiten hat?
08:49Doch jetzt sind die Tassen leer.
08:52Es fehlt Hartgeld im Wert von 71 Mark 55.
08:55Durch die Kriminaltechnik können später in mühsamer Kleinarbeit Fingerspuren an den Tassen gesichert werden.
09:02Man hat natürlich diese klassischen Spuren, damals wie heute, sprich also zum Beispiel Fingerabdrücke, dakleskopische Spuren.
09:12Die zu suchen, ist vor 50 Jahren nie anders gewesen, als es heute ist.
09:19Die Sicherung dieser Spuren ist mit der Folie auch nie viel anders, als es heute ist in dem Ganzen.
09:25Aber die Auswertung ist natürlich wesentlich schneller.
09:28Damals hat man sich wirklich hingesetzt, hat dann eine Lupe genommen, hat dann die entsprechenden Fingerabdrücke verglichen.
09:33Heute haben wir einen Computer dafür.
09:35Und das tut eigentlich schon mal in einer wesentlich schnelleren Zeit und wesentlich besseren Genauigkeit uns Ergebnisse liefern, ob das übereinstimmt oder nie.
09:42Doch noch gibt es niemanden, dem die Spuren zugeordnet werden können.
09:48Und wo ist das Ehepaar Tomschke?
09:54Im Schlafzimmer ist niemand.
09:57Das Bettzeug ist voller Blut.
10:00Auf dem Sessel liegen Paul Tomschkes Sachen unberührt.
10:04Schränke und Schubladen sind durchwühlt.
10:06Es fehlen Schmuck und Wertsachen.
10:12So sah das Schlafzimmer früher aus.
10:16Den Kriminalisten war dann nach einigen Befragungen und auch nach Sichtung des Tatortes schon klar, dass irgendwo ein Insider sein musste,
10:27weil eben er zielgerichtet vorgegangen ist.
10:31Und er auch zielgerichtet bestimmte Sachen dort entwendet hat.
10:34Und das kann man als Außenstehende nicht wissen.
10:37Die Volkspolizisten, sie sind noch immer auf der Suche nach Paul und Else Tomschke.
10:43Das vermisste Ehepaar zu finden, hat allerhöchste Priorität.
10:48Die Blutflecken im Treppenhaus führen die Männer schließlich in den Keller des alten Hauses.
10:53Doch die Männer suchen auch hier zunächst vergebens.
11:08Die Polizisten wollen schon aufgeben.
11:19Da bemerken sie an der Kellertreppe eine blutverschmierte Holzverschalung.
11:23Dahinter befand sich ein Grundwasserbrunnen, der in die Wand eingelassen war.
11:36So steht es in der Kriminalakte.
11:37Als die Polizisten die Verschalung abnehmen, machen sie eine grausige Entdeckung.
11:51Kopf über mit den Beinen nach oben liegt Else Tomschke mit zerschmettertem Schädel im Brunnenschacht.
11:56Mit roher Gewalt muss die Leiche durch die Öffnung gezwängt worden sein.
12:03Denn Else Tomschke wog 85 Kilo, Brustumfang 136 Zentimeter.
12:09Sie war breiter als die Luke.
12:11So steht es später im Obduktionsbericht.
12:14Also wenn man das Sektionsprotokoll sich durchliest,
12:18dann muss man wirklich sagen, der Täter ist mit einer doch,
12:22man könnte auch heute sagen, unvorstellbaren Grausamkeit vorgegangen.
12:26Er hat einmal die Frau mit 14 Hammerschlägen erschlagen.
12:32Und das ist nicht so gut.
12:33Also da muss man wirklich schon ganz schöne kriminelle Energie verwenden, um das zu machen.
12:39Sodass auch diese Tatbegehung und die hergehende Grausamkeit,
12:45die natürlich dahinter steckte, die hat schon rumgesprochen.
12:48Und das hat natürlich wieder bei der Bevölkerung erzeugt,
12:51wiederum einen bestimmten Angstfaktor.
12:53Und damit war wieder diese Entscheidung getroffen worden.
12:56Wir müssen das so schnell wie möglich aufklären, um da Ruhe reinzubringen.
13:00Doch wo ist Paul Tomschke?
13:02Ist er flüchtig?
13:04Ist diese Tat letztendlich ein Beziehungsdrama?
13:08Der 72-Jährige wird kurz zur Fahndung ausgeschrieben.
13:11Doch dann bergen die Polizisten tief unten im Schlamm des Brunnens eine zweite Leiche.
13:20Paul Tomschke.
13:21Die lagen ja in 2,40 Meter Tiefe, kopfüber.
13:28Und somit bleibt nur eins.
13:30Man muss in den Schacht hinein und hat mit dem Seil geborgen und vorsichtig nach oben gezogen.
13:38Damit man dann natürlich auch entsprechend noch eine rechtsmedizinische Untersuchung durchverwandelt.
13:44Schließlich bergen die Volkspolizisten noch einen Zinkeimer mit einem blutigen Nachthemd,
13:49einem Scheuerlappen und einem zerbrochenen Hammer.
13:53Offenbar alles nach der Tat in den Brunnen geworfen.
13:55Und dann hat man den Hammer genommen und hat dann angefangen, jede Spur im Einzelnen nachzuvollziehen.
14:07Und dass, ob dann auch wirklich der Hammer in Betracht kommt, das Ergebnis war eindeutig, dass das der Tat Hammer war.
14:14Ein Fall für die Mordkommission in Dresden.
14:18Bruno Wolf, ein erfahrener Offizier, übernimmt die Ermittlungen.
14:22Eine seiner ersten Maßnahmen, er schaltet die Presse ein.
14:25Die Bevölkerung ist sehr verunsichert und es muss in der nächsten Ausgabe in der Zeitung ein Artikel über diesen Mordfall stehen.
14:35Zu DDR-Zeiten ein ungewöhnliches Vorgehen, denn Gewaltdelikte werden lieber totgeschwiegen.
14:42Dieser Doppelmord und die daraus folgende Unsicherheit in der Bevölkerung rief natürlich sofort die entsprechenden politisch Verantwortlichen auf den Plan.
14:51Weil man natürlich immer sagte, die DDR ist ein sicheres Land, so etwas kommt eigentlich da drin nicht vor.
14:59Und wenn, sind das Ausnahmefälle, die schnell aufgeklärt werden.
15:02Und das war dann natürlich die Prämisse, dass man da ganz schnell politische Entscheidungen getroffen hat, das zu lösen.
15:08Als erstes wird das Gasthaus Hirsch dicht gemacht.
15:14In den folgenden Tagen überwieden sich die Zeitungen mit Schlagzeilen zu dem Doppelmord.
15:19Die Polizei gerät zunehmend unter Druck, den Fall schnell zu lösen und hängt überall in Radeburg Fahndungsplakate auf.
15:26Und so wird im närrischen Treiben der Radeburger im November 1964 ein empfindlicher Dämpfer aufgesetzt.
15:40Denn die Bevölkerung ist gebeten, an der Aufklärung des Verbrechens mitzuwirken.
15:46Vor allem möchte die Polizei wissen, wer kann Angaben zu dem zerbrochenen Hammer machen.
15:50Und wo wurden Personen mit blutigen Bekleidungsstücken auf Straßen oder in Verkehrsmitteln gesehen?
15:59Doch der entscheidende Hinweis, die heiße Spur, lässt auf sich warten.
16:06Bis der Karneval am 11.11.1964 seinen Höhepunkt erreicht.
16:12Die bisherige Karnevalsprinzessin Edith Herwagen wird von Gisela Lenz abgelöst,
16:18die als ihre Lieblichkeit Gisela I. den Radeburger Faschingsthron für die nächste Karnevalssaison besteigt.
16:26Und weil der Hirsch wegen des Kriminalfalls geschlossen ist, müssen die Narren im Ratskeller feiern.
16:32Aber dort gibt es schließlich erste Hinweise auf einen Tatverdächtigen.
16:35Und unter allem anderen kam dann ein Herr Schurig mit einem Tablett, Schnäpse drauf.
16:47Und der Elberhard saß ja nur um uns und wir in der Mitte und hat uns gratuliert und hat uns diesen Schnaps ausgegeben.
16:56Auf einmal sehe ich, dass er eine ganze Handvoll Kleingeld aus der Tasche und damit auf die Tee gelegte und damit bezahlte.
17:07Da habe ich gedacht, das ist ja, kann man so einen Haufen Kleingeld, wo ist denn das her?
17:15Klaus Schurig, Aushilfskellner im Gasthaus Hirsch.
17:20Der junge Mann gilt als angenehmer Kollege.
17:22Er war jünger wie wir, er war hilfsbereit und wohnte aber hier vom Hirschgrad rüber.
17:33Und da hat er ihm immer geholfen und wenn Not am Mann war, hat er gesagt, na gut, da kann ich noch nicht mit.
17:40Doch Klaus Schurig hat noch eine andere Seite und die ist unberechenbar.
17:45Er stiehlt, trinkt, behält keine Arbeit und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch.
17:50Klaus Schurig ist polizeibekannt.
17:54Trotzdem überträgt man ihm 1963 die Leitung der HO-Gaststätte Weißes Rössel, direkt gegenüber vom Gasthaus Hirsch.
18:03Im gleichen Haus erhält der Familienvater auch eine kleine Wohnung.
18:09Aber trotz der guten Startbedingungen wirtschaftet er die Kneipe bald in die Pleite.
18:151964 ist Klaus Schurig mit 2000 Mark im Minus.
18:18Der einzige, der ihm hilft, ist Paul Tomschke.
18:26Er beugt Klaus Schurig Geld, das er als Kellner im Hirsch abarbeiten darf.
18:32Doch auch hier ist der 23-Jährige oft unzuverlässig. Sein Problem, der Alkohol.
18:38Erst hat er mitgearbeitet, hat er auch mitbedient. Und dann im Laufe des Abends hat er dann immer mehr und immer mehr was getrunken.
18:48Sodass dann manchmal schon der Wirt gesagt hat, nun ist gut, du gehst jetzt nach Hause. Und er wohnte ja gleich hier gegenüber.
18:57Guten Tag. Guten Tag. Ich bin Volker Mühldorf, August-Bäbel-Straße 2.
19:05Kurz nach dem Fund von Paul und Else Tomschke meldet sich der Maschinist aus Radeburg bei der Mordkommission.
19:12Er habe das Fahndungsplakat gesehen und sei sich sicher, dass der Hammer ihm gehöre.
19:17Das ist mein Hammer. Woran erkennen Sie das?
19:20Das ist ein bisschen rostig, das ist schon älter, der Hammer.
19:24Der Mann versichert der Polizei, er habe Klaus Schurig den Hammer vor ein paar Wochen geborgt und seitdem nicht wiedererhalten.
19:32Dann geht alles ganz schnell.
19:36Am 12. November 1964 wird Klaus Schurig in seiner Radeburger Wohnung festgenommen und zum Verhör nach Dresden gebracht.
19:47Doch Genosse Wolf hat sich zu früh gefreut. Denn beim Verhören leugnet Klaus Schurig jede Beteiligung an der Tat.
19:58Er war polizeilich nicht unbekannt. Mit polizeilichen Abläufen kannte er sich aus.
20:02Damit haben auch bestimmte Abläufe ihn zumindest nicht erschüttert.
20:06Er hat sich einfach auf den zurückgezogen und gesagt, ich weiß nicht, ich habe das nicht gemacht.
20:10Und hat ihm indirekt gesagt, damit Polizei beweist es mir mal.
20:14Immer wieder betont er das gute Verhältnis zu Paul und Else Tomschke, wie diese handschriftliche Einlassung zeigt.
20:21Ich war mit dem Ehepaar Perdue seit 1961.
20:28Kleinere Beträge hatte ich mir vom Ehepaar geliehen.
20:31Frau Tomschke war zu mir wie eine Mutter.
20:34Ich habe mir bei Frau Tomschke Ratschläge geholt und vieles mit ihr besprochen.
20:39Ich sprach auch über persönliche Dinge mit Frau Tomschke.
20:42Sie war sehr nett zu mir.
20:44Das gute Verhältnis bestand bis zu ihrem Tode.
20:46Genosse Wolf ist ein erfahrener Kriminalist.
20:52Doch mit Klaus Schuricht kommt er nicht weiter.
20:55Also knöpft er sich dessen Ehefrau Martha vor.
20:59Dass die Ehe schlecht ist, weiß man in ganz Radeburg.
21:04Klaus Schuricht schlägt seine Frau, wenn er betrunken ist.
21:07Die anderen gehen arbeiten.
21:09Die anderen gehen arbeiten.
21:11Halt die Schraube.
21:12Halt die Schraube.
21:13Hilf, fass mich nicht an.
21:15Oft weiß die junge Frau keinen anderen Ausweg, als kleinere Geldbeträge und Lebensmittel zu stehlen,
21:21um sich und die beiden gemeinsamen Kinder durchzubringen.
21:24Um etwas zum Lebensunterhalt beizutragen, sammelt Martha Schuricht mit ihren Söhnen Pilze, Kräuter und Beeren.
21:33Doch ihr Mann vertränkt das Geld, das er dafür auf dem Markt bekommt.
21:37Ah, das ist wirklich.
21:39Martha Schuricht hat keinen Grund, ihren Mann zu schützen.
21:43Als ihr die Diebstähle vorgeworfen werden, gerät die junge Frau zunehmend unter Druck.
21:49Sie gehörte mir zu einem Verdächtigen.
21:51Sie ist ja auch nach meinem Wissenstand rechtmäßig vortat worden, wegen Hehlerei und kleineren Andortdelikte.
21:59Aber der entscheidende Hinweis zu dieser Tat kam von ihr, weil ihm der Ehemann es erzählt hat.
22:05Und so gesteht Martha Schuricht den Ermittlern, was in der Nacht zum 3. November im Gasthaus Hirsch geschehen ist.
22:15Gegen 21 Uhr sei ihr Mann zu Paul und Else gegenüber gegangen, gibt Martha Schuricht zu Protokoll.
22:21Guten Abend.
22:23Guten Abend, Klaus.
22:24Hallo, Klaus.
22:27Obwohl ihn seine Stammtischkumpel zum Start einladen, lehnt er ab.
22:31Er will an diesem Abend offenbar in Ruhe gelassen werden.
22:35Komm schon.
22:36Klaus Schuricht trinkt Bier und kippt ein paar Schnäpsel.
22:40Dann verabschiedet er sich.
22:42Es ist 23 Uhr.
22:43Wie immer lässt Paul Tomschke ihn anschreiben.
22:46Mach's gut.
22:47Ja, wir sehen es.
22:48Mach's gut.
22:49Tschüssi.
22:50Doch Klaus Schuricht geht nicht nach Hause, sondern versteckt sich in der Toilette im ersten Stock.
22:55Er hört noch, wie Paul Tomschke die Treppe hochgeht.
22:58Willst du, ich geh ins Bett.
23:00Du machst doch den Rest.
23:02Dann, gegen zwei Uhr, kehrt Ruhe im Gasthaus ein.
23:06Auf diesen Augenblick hat Klaus Schuricht nur gewartet.
23:10Er streckt Else Tomschke mit ungeheurer Brutalität nieder.
23:16Die Dame lag schon am Bodenweigen, das ist schon vollkommen unfähig, sich noch irgendwo zu wehren.
23:21Und der Täter hat trotzdem immer noch weiter zugeschlagen.
23:26Dann geht er ins Schlafzimmer.
23:28Schuricht, was willst du?
23:30Was soll ich schon wollen?
23:31Was geht?
23:32Lass mich nicht.
23:33Lass mich nicht.
23:34Lass mich nicht.
23:34Lass mich nicht.
23:36Er hat ihn also mehrfach ins Gesicht mit der Faust geschlagen und hat ihn dann zuletzt mit dem Gürtel stranguliert.
23:45Nachdem er die Wohnung ausgeraubt und die Leichen beseitigt hat, kehrt Klaus Schuricht gegen vier Uhr morgens in seine Wohnung zurück.
23:54Und er erzählt seiner Frau, was im Gasthaus Hirsch geschehen ist.
23:58Klaus, wie siehst du denn aus?
24:03Wo kommst denn du her?
24:07Genau zehn Tage später, am 13. November 1964, findet bei Schurichs eine Hausdurchsuchung statt.
24:14Auf dem Dachboden finden die Volkspolizisten frisch gewaschene Wäsche mit Blutresten.
24:23Im Labor stellt sich heraus, das Blut auf den Wäschestücken stammt eindeutig vom Ehepaar Tomschke.
24:29In der Stube können die Volkspolizisten Klaus Schurichts Pantoletten sichern.
24:38Man hat dann auch festgestellt, dass diese Schuhe, die da gefunden wurden, auch versucht wurde, etwas abzuwaschen da dran.
24:47Also die hatten Spuren von Leichmitteln und dann hat man festgestellt, dass die Schuhabdrücke von der Form und allem, was ist der Gesicherte am Tatort mit dem vorgefundenen übereinstimmt.
24:58Und damit ist es ebenfalls ein eimerfreier Beweis.
25:03Im Schuppen finden die Volkspolizisten schließlich das Diebesgut.
25:08Gesamtwert etwa 700 Mark.
25:11Kakao- und Bohnenkaffee, alles Geschenke von Paul Tomschkes Sohn aus dem Westen.
25:16Schmuck, Uhren, Geld, Schnaps, Zigaretten und Zigarren, die mit Preisen ausgewiesen waren.
25:24Bruno Wolf konfrontiert Klaus Schuricht mit dem Diebesgut.
25:30Doch der junge Mann leugnet beharrlich.
25:33Er behauptet, der Schmuck sei Familienschmuck und die Lebens- und Genussmittel hätte er selbst gekauft.
25:40Ja, genau, das sind alles aus meinem Versitz, diese Dinge gekauft, geschenkt bekommen.
25:47Nicht einmal ein Handschriftenvergleich bringt Klaus Schuricht von dieser Version ab.
25:51Die Schriften auf den Zigarrenkisten, sie stammen eindeutig nicht von Klaus Schuricht, sondern von Paul Tomschke.
25:58So das Ergebnis eines grafologischen Gutachters.
26:03Somit war natürlich diese Behauptung, das habe ich irgendwo gekauft, hinfällig.
26:09Weil ich konnte ja nachweisen, da hat jemand anderes, nämlich der Herr Tomschke, seine Handschrift darauf verewigt.
26:15Nur zehn Tage nach dem Mord gilt die Tat als aufgeklärt.
26:21Die Bevölkerung kann wieder ruhig schlafen.
26:24Das Gasthaus Hirsch hat aber seinen Spitznamen weg.
26:27Und der gilt bis heute, 55 Jahre später.
26:30Die Leute haben gesagt, wir gehen in die Hammerschenke und nicht in den Hirsch.
26:36Und das ist bis heute eigentlich bei vielen Älteren so geblieben.
26:41Mit einer lückenlosen Indizienkette kann die Polizei beweisen, dass Klaus Schuricht der Täter ist.
26:46Der 23-Jährige leugnet jedoch auch in der Untersuchungshaft jede Beteiligung an der Tat.
26:57Jeder Täter ist erstmal unterschiedlich.
26:59Bei einigen reicht es schon aus, dass man ihm Tatvorwurf macht, dann bricht er zusammen.
27:03Und dann hat man natürlich auch Täter, die da eiskalt vor ihm stehen und sagen, das war ich nicht, das habe ich nie gemacht.
27:08Und der wird ähnlich auch der Herr Schuricht gewesen sein.
27:12Am 24. Mai 1965 beginnt der Prozess gegen Klaus Schuricht vor dem Dresdner Bezirksgericht.
27:22Das Interesse der Öffentlichkeit ist riesig.
27:25Man kann sogar Eintrittskarten für den Prozess erstehen.
27:30Es waren immer hier so 10, 15 Karten verteilten die Ämte.
27:35Und das ging ja über, ich glaube 14 Tage, ging der Kriegsirr die Verurteilung, also die Verhandlung.
27:41Doch Klaus Schuricht legt auch vor Gericht kein Geständnis ab.
27:47Er hat selber gar nichts weiter gesagt.
27:50Ich würde behaupten, der war ruhig.
27:51Und er weiß nicht und es ist nicht wahr, so auf die Tür.
27:56Der Staatsanwalt plädiert auf lebenslanges Zuchthaus.
28:00Doch der Senat gibt sich damit nicht zufrieden.
28:03Hier ein Mitschnitt der Gerichtsverhandlung.
28:05Diese Tat fordert, um der Gerechtigkeit in der sozialistischen Gesellschaft zu genügen,
28:14die für derartige Verbrechen mögliche schwerste Strafe.
28:20Und dazu benötigt der Arbeiter- und Bauernstaat die Todesstrafe in äußersten Ausnahmefällen.
28:27Der Raubmord an den Tromschkes, er war ein solcher Ausnahmefall.
28:33Am 28. Mai 1965 um 15 Uhr fällt das Urteil.
28:39Der Angeklagte wird zum Tode verurteilt.
28:42Klaus Schuricht wird am 14. Dezember 1965 in Leipzig hingerichtet.
28:54Heute erinnert noch ein Gedenkstein an das Ehepaar Paul und Ilse Tomschke,
28:59das 1964 so grausam ums Leben kam.
29:03Untertitelung des ZDF, 2020