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70 Jahre nach dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik kann Verteidigungsexperte Michael Rühle verstehen, wenn Deutschland nervös wird. Das Land habe noch immer keine strategische Kultur, die Westorientierung bleibe aber richtig. Es gehe in erster Linie um Solidarität.

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Transkript
00:0070 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft. Ein Festakt in Brüssel hat den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1955 jetzt gefeiert.
00:08Wir wollen auch unbequemere Fragen stellen in dem Zusammenhang.
00:12Sprechen kann ich jetzt mit dem Verteidigungsexperten Michael Rühle.
00:15Sie haben über 30 Jahre lang im internationalen Stab der NATO gearbeitet,
00:19unter anderem in den Bereichen politische Planung, Reden, Energie- und Klimasicherheit sowie hybride Bedrohung.
00:25Und jetzt analysieren Sie unabhängig die aktuellen Herausforderungen der Allianz. Schön, dass Sie da sind.
00:31Herzlichen Dank für die Einladung.
00:342025 und 1955. Das Jubiläumsjahr und das Beitrittsjahr, das sind ja beides Jahre, die von Angst geprägt waren und sind.
00:44Ist die Anspannung heute vielleicht sogar noch größer als während des Kalten Kriegs?
00:48Naja, insofern, als es immer wieder Gerüchte gibt, dass die Amerikaner sich möglicherweise aus der NATO zurückziehen,
00:55die gab es natürlich 1955 nicht.
00:57Da war genau das Gegenteil der Fall.
00:59Die Amerikaner haben mit viel Aufwand und viel Überzeugungsarbeit bei den anderen Verbündeten dafür geworben,
01:04dass Westdeutschland der NATO beitritt.
01:06Und das war zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ja noch gar nicht so unumstritten.
01:09Das hat aber gut funktioniert und seit dieser Zeit hat Deutschland wie kaum ein anderes Land sein Schicksal mit diesem Bündnis verknüpft.
01:16Insofern ist es verständlich, dass heute, wenn Fragezeichen kommen, Deutschland besonders nervös wird.
01:22Sie sagen jetzt Gerüchte, Fragezeichen. Was denken Sie denn? Ziehen sich die USA zurück?
01:28Nein, das glaube ich nicht.
01:30Sie werden natürlich in den nächsten Jahren vermutlich ihre Truppenstärke reduzieren,
01:34weil man einfach China als Hauptbedrohung sieht.
01:37Aber die Vorteile, die die USA genießen, indem sie eben auch eine Führungsrolle im Bündnis spielen,
01:43die sind zu groß, als dass man dafür sozusagen dieses Bündnis über die Klinge springen lässt.
01:48Die USA haben in Europa ein Milieu an politischer Zusammenarbeit, das sie nirgendwo sonst auf der Welt haben.
01:55Wenn man mit Asien arbeitet, arbeitet man mit sehr komplizierten bilateralen Beziehungen.
01:59Hier hat man sozusagen ein ganzes Bündnis mit 31 anderen Staaten, also Kanada noch mitgerechnet,
02:06mit denen man sozusagen in einem Forum jeden Tag Sicherheitspolitik besprechen kann.
02:12Das ist ein Punkt, mit dem man wuchern kann, auch wenn vielleicht Präsident Trump die Sache etwas anders sehen mag.
02:17Sie haben das schon angesprochen, damals als Deutschland eben der NATO beitrat.
02:22Das war ja eben in der Blockbildungszeit die Phase, in der Deutschland dann in die westliche Staatengemeinschaft integriert werden sollte,
02:31zumindest eben der westdeutsche Teil, die Bundesrepublik damals.
02:35Wer hat davon eigentlich am meisten profitiert?
02:39Also Deutschland hat immens profitiert, weil es natürlich die Rückkehr auf die internationale Bühne damit ermöglicht hat.
02:45Es hat auch dadurch profitiert, dass es im Rahmen der NATO eben möglich war,
02:50nicht nur die deutsch-französische Aussöhnung zu organisieren,
02:54sondern eben auch die Aussöhnung mit allen früheren Kriegsgegnern.
02:56Und Deutschland mit der Zeit auch militärisch akzeptiert wurde von den anderen.
03:02Das ging in der NATO, weil eben auch die USA als primus inter pares sozusagen immer dafür gesorgt haben,
03:08dass kein Land zu mächtig, auch Deutschland nicht zu mächtig werden kann.
03:13Und das war für Deutschland ein großer Erfolg.
03:17Die USA wiederum haben davon profitiert, dass sie über den NATO natürlich auch einen Einfluss in der europäischen Sicherheit hatten.
03:26Einen Einfluss, den sie auch, glaube ich, heute nicht verlieren möchten.
03:30Insofern waren beide, die Amerikaner, die Deutschen, aber eben auch alle anderen Verbündeten Profiteure.
03:36Man darf nicht vergessen, als Deutschland beitrat, Westdeutschland beitrat, 1955,
03:42erst dann bekam die NATO auch militärstrategisch die nötige geopolitische Tiefe, die sie bis dahin nicht hatte.
03:48Damals, bis dahin wurde die NATO am Rhein verteidigt.
03:52Insofern profitierten alle davon, dass Deutschland plötzlich dabei war.
03:56Und jetzt ist auffällig, auch in den Festreden, dass die große Sorge da ist vor dem, was kommt.
04:02Bundespräsident Steinmeier hat zum Beispiel beim Festakt gesagt,
04:04Der Weg, der vor der Allianz liege, sähe noch ungewisser aus als 1955.
04:09Auf Deutschland komme jetzt eine Schlüsselrolle zu.
04:12Es müsse hervortreten.
04:14Wie sehen Sie das?
04:15Also ich bin da nicht so sicher, ob in Fragen der Verteidigungspolitik oder Militärpolitik Deutschland eine Führungsrolle spielen kann.
04:22Ich glaube, das würde nicht nur mehr Geld voraussetzen, sondern auch eine strategische Kultur, die Deutschland, glaube ich, nach wie vor noch nicht hat.
04:32Also da sind andere Länder, glaube ich, eher prädestiniert, diese Rolle zu spielen.
04:36Oder zumindest in ihrem eigenen Selbstbewusstsein diese Rolle zu spielen.
04:39Also ich denke an Frankreich.
04:40Großbritannien ist nicht mehr in der EU.
04:42Damit spielt es nicht mehr genau die Rolle, die es früher gespielt hat.
04:46Aber natürlich ist es richtig, Deutschland muss mehr liefern, was militärische Fähigkeiten angeht.
04:52Jetzt stehen wir vor der großen Herausforderung, etwa sollte eine Friedenslösung für die Ukraine kommen.
04:57Wie wird dann sichergestellt, dass Russland nicht nochmal die Ukraine angreift?
05:01Also da wird Deutschland gefordert sein.
05:04Es hat sich aber eben auch gezeigt, gerade im Rahmen der NATO, die NATO hat Stück für Stück Deutschland zu einer normalen Militärmacht werden lassen.
05:15Wenn ich denke an die 90er Jahre, als der Balkan sehr viel und man sich die Frage stellte, dürfen deutsche Soldaten überhaupt dorthin?
05:24Und das dann eben im NATO-Rahmen plötzlich möglich war.
05:26Und selbst bis hin zu Afghanistan, wo wir immer in 20 Jahren vor Ort waren, das wäre ohne den Rahmen der NATO nicht denkbar gewesen.
05:34Insofern wird auch jetzt die NATO, glaube ich, gebraucht, um Deutschland weiterhin daran zu gewöhnen, bestimmte militärische Fähigkeiten zu erwerben und auch einzusetzen.
05:44Wenn es nach dem Bundespräsidenten geht, der sagt, er wolle, dass Deutschland Rückgrat der konventionellen Verteidigung in Europa werde.
05:53Geht das denn? Und wenn ja, wie?
05:54Naja, es geht insofern, als Deutschland nach wie vor eine der größten Landstreitmächte hat in Europa.
06:02Und ich vermute mal, dass Steinmeier damit auch sagen will, die Briten, die Franzosen, die haben Nuklearwaffen, wir nicht.
06:10Insofern sollten wir den Schwerpunkt eben auf andere Fähigkeiten legen.
06:13Das ist sicherlich nicht falsch.
06:15Und es ist auch richtig, dass Deutschland zum Beispiel durch die Brigade, die man in Litauen stationieren will, auch klar zum Ausdruck bringt, wir haben Verantwortung für die osteuropäischen Staaten.
06:25Wir dürfen nicht vergessen, Deutschland war eine treibende Kraft bei der NATO-Erweiterung nach dem Ende des Kalten Krieges, zusammen mit den USA übrigens.
06:31Das heißt, Deutschland wird da mehr tun.
06:35Die budgetäre Situation ist ja nun auch so, dass man tatsächlich mehr Geld zur Verfügung haben wird in den nächsten Jahren.
06:43Insofern glaube ich, kann Deutschland da schon mehr machen.
06:45Ob das dann das Rückgrat ist, weiß ich nicht.
06:47Aber es ist zumindest eine der größten konventionellen Potenziale in Europa.
06:52Und trotzdem noch mal zum Vergleich.
06:54Also im Kalten Krieg hat die Bundesrepublik 40 Prozent der Landstreitkräfte der NATO gestellt, laute Militärhistoriker Sören Neitzel.
07:02Das ist aber in sehr weiter Ferne, oder?
07:04Das ist noch in sehr weiter Ferne, weil das natürlich auch von Dingen abhängt wie, kommt die Wehrpflicht wieder oder nicht?
07:10Das entscheidet natürlich, solche Entscheidungen sind sehr relevant für die absolute Größe der Streitkräfte.
07:19Im Moment sehe ich eben die Wehrpflicht nicht zurückkommen, weshalb die Bundeswehr wahrscheinlich immer im Bereich um die 200.000 bleibt mit den Landstreitkräften.
07:29Aber es ist richtig, und da hat der Herr Präsident schon recht, ich glaube, Deutschland ist traditionell eine Landmacht.
07:34Wir sind da, glaube ich, prädestiniert, eine größere Rolle zu spielen.
07:38Ob und wie das dann sich zahlenmäßig auswächst, das muss man sehen.
07:44Es sei Zeit, etwas zurückzugeben, sagt noch Verteidigungsminister Pistorius, der möglicherweise dieses Amt auch in der neuen Regierung behalten könnte.
07:53Was könnte Deutschland tatsächlich konkreter beitragen?
07:56Sie haben das ja schon angesprochen.
07:58Geld soll es geben, so viel wie nie.
08:01Das haben Union und SPD ja als Voraussetzung geschaffen.
08:04Es geht um erster Linie beim Bündnis immer um eines, und das ist Solidarität.
08:10Das heißt, wenn bestimmte Staaten sich besonders geografisch exponiert fühlen, und das gilt natürlich gerade für die Balten, das geht aber auch für andere,
08:19dann muss Deutschland zeigen, dass es für diese Länder einsteht.
08:23Und das, wie gesagt, die Brigade in Litauen ist ein erster Schritt.
08:27Wir hatten früher schon beim sogenannten Baltic Air Policing, also bei der Unterstützung der baltischen Staaten, was die Lufthoheit angeht,
08:35schon erste Entscheidungen getroffen, die in die richtige Richtung gingen.
08:40Und ich glaube, da werden wir noch mehr machen müssen.
08:41Und sollten die Fähigkeiten der Bundeswehr tatsächlich jetzt anwachsen durch die besseren oder das höhere Budget,
08:49dann glaube ich, können wir auch da noch mehr machen.
08:51Also Solidarität gerade den Mittelosteuropäern gegenüber ist, glaube ich, die entscheidende Frage.
08:57Jetzt gibt es in Deutschland, und das merkte man auch so ein bisschen bei dem, wie Sie formuliert haben,
09:01hier aber auch viele Stimmen, die das gar nicht unbedingt unterstützen.
09:05Also die zum Beispiel sagen, noch mehr Aufrüstung, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen,
09:10oder noch mehr Westintegration, der Kurs gefällt mir nicht.
09:14Das war eben im wiedervereinigten Deutschland auch deutlicher zu spüren, aus unterschiedlichsten Gründen.
09:20Gibt es dazu Alternativen?
09:23Aus meiner Sicht nein.
09:24Und ich glaube, die Geschichte der NATO und auch die Tatsache, dass die Wiedervereinigung im Rahmen der NATO erfolgt ist,
09:30hat gezeigt, dass die Westorientierung, die unter Adenauer begonnen hat, stets richtig war und auch richtig bleibt.
09:37Und wenn man dann auch hinzufügt, und ich habe das ja auch aus eigener Erfahrung erlebt in den 30 Jahren NATO,
09:42wie die Osteuropäer sich dann in die NATO eingegliedert haben im Laufe der letzten 20, 25 Jahre,
09:48und mit welchem Enthusiasmus sie dort auch tätig sind, dann zeigt das einmal mehr,
09:54dass die Idee einer transatlantischen Allianz eine unglaubliche Anziehungskraft hat.
09:58Dass man in Deutschland, wo man eben seit 80 Jahren im Frieden lebt
10:03und sich auch bis vor kurzem eigentlich nicht allzu sehr von Russland bedroht gefühlt hat,
10:07dass man in Deutschland die Sache dann etwas anders sieht, manchmal etwas bequemer sieht, das mag schon sein.
10:11Aber Sicherheitspolitik ist generell eine Führungsfrage.
10:13Und ich glaube, wenn eine Regierung klar macht, dafür für dieses oder jenes stehen wir
10:18und dafür werden auch Ressourcen aufgeboten, dann geht die Bevölkerung auch mit.
10:24Was ist denn eigentlich die größte Bedrohung aktuell?
10:28Für die NATO. Worum geht es?
10:29Die größte Bedrohung aktuell ist eindeutig Russland, weil Russland eben gezeigt hat,
10:35dass es die ganze Nachkriegsordnung, Nachkalt der Kriegsordnung ablehnt
10:40und sich jetzt zumindest für seine unmittelbaren Nachbarn als große Bedrohung erwiesen hat,
10:47Ukraine und andere.
10:48Ob sie darüber hinausgehen würde, ob sie die Fähigkeiten oder den Willen hat, die NATO anzugreifen,
10:54da hätte ich meine Zweifel.
10:55Ich glaube, die NATO ist doch noch um ein Vielfaches stärker als Russland.
10:59Aber Russland ist sicherlich die größte Bedrohung.
11:02Wir hatten allerdings auch Phasen, in denen es anders war.
11:06Wir hatten, wenn Sie an Afghanistan zurückdenken, die Gefahr des internationalen Terrorismus,
11:10dass eben bestimmte Länder wie Afghanistan sozusagen Trainingsraum und Rückzugsraum von Terroristen wurde,
11:19die auch bei uns Unwesen getrieben haben und vor allen Dingen natürlich in den USA.
11:22Da haben wir eben dann eben unsere geografischen Begrenzungen überwunden und gesagt,
11:29wir müssen dahin, wo die Bedrohung ist.
11:31Also in dem Falle eben nach Zentralasien.
11:32Das war nur ein bisschen weit für uns, aber wir haben es geschafft.
11:35Und man darf auch nie ganz außer Acht lassen,
11:38dass natürlich in einem asiatisch-pazifischen Raum sich eine Menge abspielt mit dem Aufwuchs Chinas.
11:45Und China hat ja auch eine ziemlich brachiale Politik, was den Umgang mit seinen Nachbarn angeht.
11:50Und auch da, das heißt nicht, dass die NATO da hin müsse,
11:54aber es heißt natürlich, die Amerikaner werden immer wieder in diese Richtung schauen müssen.
11:59Und dann müssen wir eben schauen, dass wir mit einer geringeren amerikanischen Streitkraft hier in Europa doch noch irgendwie klarkommen.
12:07Also insofern gibt es keine wirkliche Bedrohungshierarchie.
12:11Es gibt eine ganze Menge Bedrohungen, die sind sehr unterschiedlicher Natur.
12:14Und natürlich, dann sollte man hinzufügen, es gibt natürlich auch nicht-militärische Bedrohungen,
12:20bei denen die NATO nicht unbedingt die erste Geige spielt.
12:22Also zum Beispiel hybride Bedrohungen, wie Sabotage oder so.
12:26Aber auch da hat die NATO in der Vergangenheit sozusagen als Forum gewirkt,
12:31um zum Beispiel abzugleichen, wie sind die nationalen Gesetzgebungen beim Umgang mit der Schifffahrt
12:36oder beim Umgang mit Fake News, Fernsehsendern und so weiter.
12:41Das heißt, die NATO, selbst da, wo sie nicht direkt unmittelbar agiert,
12:46hat sie immer noch einen, wenn man so will, erzieherischen Auftrag.
12:50Insofern, als sie eben 32 Staaten zusammenbringt, die dann sich austauschen können über die Frage,
12:55wie wird man auch nicht-militärischen Bedrohungen herrn.
12:58Zuletzt sind ja Finnland und Schweden dazugekommen.
13:01Ist jetzt erstmal Schluss mit der Erweiterung der Allianz?
13:05Das ist eine interessante Frage.
13:06Ich glaube, ja.
13:08Ich glaube, erstmal gibt es keine glaubwürdigen Anwärter mehr auf die NATO-Mitgliedschaft.
13:16Ukraine wird voraussichtlich ja nicht in die NATO kommen.
13:21Es gibt noch Bosnien-Herzegowina, aber die sind noch sehr, sehr weit weg.
13:24Ansonsten haben mit Finnland und Schweden natürlich zwei echte Schwergewichte bekommen.
13:32Denn diese Länder haben natürlich, auch wenn sie klein sind,
13:34und eine relativ geringe Bevölkerung haben, eine sehr ausgeprägte strategische Kultur.
13:39Und sie kennen Russland auch aus eigener Erfahrung sehr, sehr gut.
13:43Insofern, auch geostrategisch ist das für die NATO ein Riesengewinn gewesen.
13:46Und die weiteren Fragen, die wir uns stellen müssen, sind, glaube ich, weniger im Bereich Erweiterung,
13:57also wer kommt rein und wer bleibt draußen, sondern eher in der Frage zu suchen,
14:02wie vertiefen wir unsere Partnerschaften beispielsweise mit den asiatisch-pazifischen Ländern Japan, Neuseeland, Australien und so weiter.
14:09Haben Sie da denn eine Idee?
14:12Naja, die Europäer sind ein bisschen bockig manchmal bei dieser Frage, weil sie immer Angst haben,
14:17die NATO wird dann eben, verliert ihren europäischen Charakter.
14:21Und bei der NATO geht es ja um die Sicherheit Europas eigentlich.
14:24Insofern haben die Amerikaner ein paar Mal einige Abfuhren erhalten, als sie Politiken vorgeschlagen haben,
14:32die diese Beziehungen vertiefen könnten.
14:34Aber diese Beziehungen werden sich vertiefen.
14:35Einfach deshalb, weil China als Faktor, auch in Europa, immer stärker in Erscheinung tritt.
14:41Und man sich dann eben wirklich anschauen muss, welche Staaten im asiatisch-pazifischen Raum sind wirklich eng an unserer Seite.
14:50Und dazu gehören natürlich die von mir genannten Länder ganz eindeutig.
14:55Die leiden ja auch im Moment unter dem chinesischen Druck.
14:59Und insofern wird da mehr kommen.
15:02Es gab ja auch einzelne Entscheidungen auf nationaler Ebene,
15:05dass Deutschland zum Beispiel durch die Straße von Taiwan fährt,
15:09einfach um klarzumachen, hier sind bestimmte völkerrechtliche Grundsätze,
15:12an denen wir nicht drütteln lassen, wie zum Beispiel die Seefahrt.
15:16Also hier kommt, das kommt mit der Zeit auch noch.
15:19Schauen wir mal nach vorn.
15:20Sie haben die Ukraine schon angesprochen und gesagt,
15:23Sie glauben nicht, dass es da einen NATO-Beitritt geben wird.
15:26Wäre denn Deutschland, wäre Europa tatsächlich sicherer
15:30für beispielsweise die nächsten 70 Jahre mit der Ukraine in der NATO oder ohne?
15:36Also ich hätte mir die Mitgliedschaft der Ukraine schon gewünscht,
15:41weil ich glaube, dann hätte man das deutlichste Signal gesendet an Russland, Hände weg.
15:48Das wird jetzt nicht funktionieren, weil die Amerikaner schon gesagt haben im Vorfeld,
15:51das wollen wir nicht.
15:52Und die Amerikaner bestimmen hier, weil sie einfach das Rückgrat der NATO sind.
15:57Und wenn die nicht wollen, dann macht es keinen Sinn, wenn die Europäer noch so viel schimpfen.
16:01Und das macht keinen Sinn.
16:03Aber ich glaube, es gibt ja andere Möglichkeiten, die Ukraine so zu stärken,
16:06dass es ein, sagen wir mal, ein Appetitzügler für Putin werden wird,
16:12in dem eben die Ukraine militärisch aufgerüstet wird,
16:17in dem sie auch Gast sein kann von Truppen aus anderen Ländern, aus NATO-Ländern oder anderen.
16:25Da wird noch verhandelt, die Russen sind dagegen, logisch, aber ich glaube, da in diese Richtung wird es gehen.
16:32Es gibt diese Stachelschwein-Theorie, wonach man die Ukraine eben wie ein Stachelschwein so rusten muss,
16:38dass sie praktisch unangreifbar wird.
16:40Das halte ich für ein bisschen weit hergeholt, aber die Ukraine wird nicht einfach so ihrem Schicksal überlassen.
16:47Und Deutschland, wenn Sie vorausschauen, in den nächsten Jahrzehnten, Deutschland und die NATO,
16:53was wird das wohl für eine Beziehung?
16:56Also ich glaube, wir werden, in der NATO wird sich nichts dramatisch verändern,
17:00sofern die Amerikaner halt bei der Stange bleiben.
17:03Aber ich glaube, Deutschland wird halt auch mehr im EU-Rahmen machen.
17:08Wir haben ja schon gesehen, die EU hat im Bereich der Hilfe für die Ukraine eine ganze Menge erreicht.
17:14Und ich glaube, da werden wir noch mehr sehen.
17:17Deutschland hat natürlich in der EU eine stärkere Rolle, relativ gesehen, als in der NATO.
17:23Und insofern glaube ich, wird Deutschland auch immer versuchen, zweigleisig zu fahren.
17:27Es werden bestimmte Dinge in der EU, im EU-Rahmen gemacht, da sind sie einfacher manchmal.
17:31Manche Dinge sind im NATO-Rahmen einfacher.
17:33Es geht vor allen Dingen auch darum, und da hat Deutschland auch eine sehr gute Rolle gespielt,
17:37NATO und EU enger zusammenzubringen.
17:40Und das ist sehr, sehr wichtig.
17:41Denken Sie daran, nicht nur die USA sind ja kein Mitglied der EU, sondern auch die Türkei, Norwegen und andere.
17:46Und hier eine Art Passepartout zu schaffen, dass jeder sich irgendwo sicherheitspolitisch heimisch fühlt,
17:53das ist, glaube ich, auch eine Aufgabe, die auf Deutschland zukommt.
17:56Und wie gesagt, Deutschland hat in der Vergangenheit immer wieder sich sehr, sehr bemüht,
18:00die beiden Institutionen in Brüssel irgendwie enger aneinander zu knüpfen.
18:05Ganz herzlichen Dank für Ihre Einschätzung und Position, Michael Rühle.
18:08Herzlichen Dank.

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