Er war der erste Papst aus Lateinamerika. Wie blicken die Menschen in seiner Heimatstadt Buenos Aires auf die Amtszeit von Franziskus?
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00:00Die katholische Kirche
00:30Er war der erste Papst aus Argentinien. Viele verbanden mit ihm die Hoffnung auf Reformen und Erneuerung.
00:41Gerade in seiner Heimatstadt, Buenos Aires.
00:45Es gibt keinen zweiten wie ihn. Und es wird ihn auch nie geben, denn er hat sich für die Armen eingesetzt, anders als die anderen.
00:52Wie schauen die Menschen hier auf sein Vermächtnis? Und wie trauern sie um ihren Papst Franziskus?
01:04Sie hoffen, ein wenig Trost zu finden. Trauergottesdienst in der Gemeinde Virgen de los Milagros de Caacupé in Buenos Aires.
01:26Viele hier kannten Franziskus, lange bevor er Papst wurde. Sein Tod am Ostermontag, für sie unfassbar.
01:35Heute werden wir einen Gottesdienst für ihn halten, sagt der Padre. Wir werden sicherlich weinen und uns umarmen.
01:41Er hat uns gezeigt, welchen Weg wir gehen sollen. Und das war sehr wichtig für unser Viertel, um wieder zusammenzukommen.
01:52Damals gab es sehr viele Rivalitäten hier.
01:54Die Gemeinde liegt im Bezirk Villa 21-24, dem größten Armenviertel von Buenos Aires.
02:03Tausende Familien leben hier. Ein sozialer Brennpunkt.
02:10Seit Jahren kämpft die katholische Gemeinde gegen die Drogenkriminalität, will Jugendliche von Gangs fernhalten.
02:16Und hier beginnt auch das Wirken eines Mannes, der später die Welt verändern soll.
02:27Jorge Bergoglio. Heute als Papst Franziskus bekannt.
02:33Er kam oft hierher, zu Fuß, mit dem Bus, ohne große Formalitäten.
02:38Pfarrer Lorenzo de Vedilla, genannt Padre Toto, ist der Pfarrer der größten Gemeinde hier.
02:43Er hat Franziskus oft getroffen. Zusammen haben sie das Armenviertel verändert.
02:49Er hat uns gestärkt und geholfen, das Viertel weiterzuentwickeln.
02:54Er hat beim Bau der Schule geholfen, unterstützte das Berufsbildungszentrum und war bei der Einweihung des Ogare di Cristo dabei.
03:03Er hat uns auf unterschiedliche Weise immer geholfen, manchmal auch finanziell, bei vielen unserer Aufgaben.
03:13Nicht weit weg von hier, Flores, der Stadtteil, in dem Franziskus geboren und aufgewachsen ist.
03:21Nach der Nachricht seines Todes kommen viele zu seinem Geburtshaus, um ihm nahe zu sein.
03:26Ich wollte gerne die Orte besuchen, an denen er war, wo er langgelaufen ist.
03:36Er war ja eine sehr wichtige Person für Argentinien und für alle, denn er war der heilige Vater, der Gott auf Erden repräsentiert hat.
03:43Jorge Bergoglio, Sohn italienischer Einwanderer, er wird 1936 in Buenos Aires geboren.
03:52Er arbeitet erst als Hausmeister und Chemietechniker, dann entscheidet er sich für das Priesteramt.
04:00Als Mitglied des Jesuitenordens wendet er sich den Armen zu, möchte dem Volk nahe sein.
04:05Mit 61 wird er Erzbischof von Buenos Aires.
04:15Historisch gesehen kamen die Bischöfe nur aus protokollarischen Gründen in die Villas,
04:20zu einer Zeremonie, bei der eine neue Pfarrei eingeweiht wurde oder wenn eine Firmung gefeiert wurde.
04:26Und sie kamen mit dem Chauffeur. Er hingegen kam bescheiden mit dem Bus Nummer 70,
04:32trank Marte mit den Leuten, die sich engagierten, aß etwas mit ihnen und so weiter.
04:39Die Nachricht von seinem Tod ist für viele hier ein Schock.
04:45Gerade in der Suppenküche, die Franziskus regelmäßig besucht hat.
04:49Die schönste Erinnerung für mich ist meine Firmung.
04:57Ich hatte das Privileg, dass er damals die Zeremonie gehalten hat.
05:01Immer wenn er hier war, besuchte er die Kirche und die Suppenküche.
05:06Er sagte immer, das muss alles fortgeführt werden für unsere Kinder.
05:13Viele hier sind auf die Mahlzeiten der Kirche angewiesen.
05:16Den Erzbischof nannten sie nur El Padre.
05:24Er war sehr bescheiden, er war wie wir. Ja mehr noch, er war einer von uns.
05:30Und dann diese Nachricht heute, das war wie ein Schlag ins Gesicht, ich konnte es nicht glauben.
05:37Gestern hat er noch den Gottesdienst gehalten.
05:40Hier an diesem Tisch hat er gesessen, mit uns gegessen und vieles mit uns geteilt.
05:46Alle kennen ihn hier als den Mann, der durch die Straßen ging, der zuhörte.
05:55Und auch wenn er seit seiner Wahl zum Papst nie wieder hier war, fühlen sie sich ihm eng verbunden.
06:02Vor einigen Jahren, noch bevor er Papst wurde, kam er zum Essen in Ritas Suppenküche.
06:07Er kam immer mit seinem schwarzen Aktenköfferchen, einer abgetragenen Jeans, seinen Schuhen, immer die kaputten Schuhe.
06:17Und du kannst dir nicht vorstellen, wie aufmerksam er war.
06:19Er gab mir seinen Segen.
06:21Immer wenn ich ein Problem habe, denke ich daran zurück und bete zu ihm.
06:25Und dann geht's mir wieder gut.
06:26Die Liebe, die er für dieses Viertel hatte, die Liebe, die er für die Kinder hatte, für alle.
06:33Er war ein reiner Papst, ein Papst der Armen.
06:38Er war der Pfarrer der Armen.
06:432013 dann der Moment, der die Welt überrascht.
06:47Jorge Bergoglio wird Papst.
06:48Der erste Nicht-Europäer seit mehr als tausend Jahren.
06:52Der erste Jesuit.
06:53Für viele ein Zeichen der Veränderung in der katholischen Kirche.
06:58Brüder und Schwestern, guten Abend.
07:02Auch als Papst bleibt er sich treu.
07:05Nahbar, bodenständig.
07:07Luxus lehnt er ab.
07:12Ich habe meine Tasche schon immer selbst getragen.
07:14Das ist normal.
07:16Er startet einen Reformprozess.
07:19Manchen geht er nicht weit genug.
07:21Die Gleichstellung von Frauen, das Zölibat, keine echten Fortschritte.
07:27Andere finden, er hat wichtige Zeichen gesetzt.
07:30Für den interreligiösen Dialog.
07:33Für Frieden.
07:35Für Geflüchtete.
07:37Für den Klimaschutz.
07:39Und er ist der erste Papst, der die Kirche auch für Transmenschen öffnet.
07:44Ein Heim für Transfrauen.
07:46Die Casa Animi in Buenos Aires.
07:48Wird von der katholischen Kirche unterstützt.
07:50Mit dem Segen von Franziskus.
07:53Ein sicherer Ort für viele, die sonst keinen haben.
07:56Doch es bleibt Kritik.
07:57Gerade in seiner Heimat.
07:58Zum Beispiel beim Thema Missbrauch.
08:00Sebastian Cuatromo ist Gründer einer argentinischen Organisation, die für den Schutz und die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs kämpft.
08:14Auch er wurde als Kind in einer katholischen Schule sexuell missbraucht.
08:17Der Täter, ein Ordensmann.
08:21Es gibt ein Vorher und ein Nachher für mich.
08:31Es war etwas sehr Traumatisches, das in meinem Fall, wie bei so vielen Opfern, von sexuellem Missbrauch in der Kindheit mit viel Scham und Leid verbunden ist.
08:40Und eine Menge Schuldgefühlen.
08:44Für mich bedeutete das, dass ich während meiner Jugend all diesen Schmerz, all dieses Trauma nicht in Worte fassen konnte.
08:52Ich hatte das Gefühl, dass ich es niemandem erzählen konnte.
08:56In meinem Fall hatte das viel mit dieser Marianistenschule zu tun.
09:04Damals war er 13 Jahre alt.
09:07Der Täter wurde erst viel später verurteilt.
09:09Er und seine Mitschüler wurden von der Schule aufgefordert, nicht darüber zu reden.
09:14Sebastian wandte sich an den damaligen Kardinal Bergoglio.
09:17Doch die Enttäuschung war groß.
09:19Denn empfangen wurde er nur von einem Bischof.
09:22Diese Treffen fanden mit dem damaligen Bischof Mario Puli statt.
09:30Er handelte im Namen der katholischen Gemeinde, die damals von Kardinal Bergoglio geleitet wurde.
09:37Ich erinnere mich vor allem an zwei Dinge.
09:39Das eine war, dass sie mir am Ende mithalten, dass sie als Repräsentanten der Gemeinde die Marianistenschule unterstützen.
09:46Sie waren damit einverstanden, dass die Schule zwar offiziell die Verantwortung für meinen Fall anerkennt,
09:52der schon viele Jahre zurückliegt, das Ganze aber de facto durchgehen lässt.
09:59Und das Zweite ist, dass sie das nicht nur haben durchgehen lassen.
10:04Sie haben auch die Augen davor verschlossen, dass die Marianistenbrüder die Opfer zum Schweigen bringen wollten.
10:10Für mich als Opfer war das sehr schwerwiegend und inakzeptabel.
10:19Außerdem wurde bei diesen Treffen in einer absolut respektlosen Art und Weise mit mir als Opfer kommuniziert.
10:26In einer geschmacklosen Art.
10:28Als Papst räumt Franziskus Fehler in der Kirche ein.
10:36Er fordert Null Toleranz bei Missbrauch.
10:38Doch die Aufklärung ist oft nicht konsequent und nicht schnell genug.
10:43Nach Argentinien ist er in der gesamten Zeit als Papst nie wieder zurückgekehrt.
10:46Einige vermuten aus Angst, in der zerrissenen argentinischen Gesellschaft politisch instrumentalisiert zu werden.
10:59Aber hier in der Villa 2124, in der Gemeinde, zeigen viele Menschen auch Verständnis dafür.
11:06Für mich ist es überhaupt kein Zeichen der Geringschätzung und auch kein Beweis dafür, dass er uns Argentinier nicht mochte.
11:15Er ist dorthin gegangen, wo er noch nie war.
11:17Er ist der Papst der Welt. Wir in Argentinien hatten ihn über 60 Jahre.
11:22Aber was bleibt vom ersten Papst aus Lateinamerika nach zwölf Jahren Amtszeit?
11:28Hat er die Hoffnungen, die hier in ihn gesetzt wurden, erfüllt?
11:36Ich glaube, er hat Wege eröffnet, obwohl klar war, dass er sie selbst nicht vollenden würde.
11:43Aber er hat den Weg bereitet, damit die Kirche weitergehen kann.
11:47Und der nächste Papst, inspiriert und beeinflusst von ihm, diese positive Transformation der Kirche weiter vorantreiben kann.
11:59Ein Papst der Wege öffnete. Franziskus hinterlässt eine Kirche im Wandel.
12:04Ein Wandel, den Padre Toto fortführen will.
12:08Eine Kirche für alle, jenseits von Herkunft, Geld, Hautfarbe oder Sexualität.
12:16Offene Türen. Für alle.
12:19Eine Kirche für alle.
12:23Ja, das Tür entLAXter.
12:27Ia, w협 omdat!
12:29Ja, bo das so!
12:30Vielen Dank.