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Glaubt man den USA, steht ein Friedensabkommen für die Ukraine kurz bevor. Welche Zugeständnisse an Russland sind die Ukrainer bereit zu machen? DW-Korrespondentin Nimisha Jaiswal hat sich in der Ostukraine umgehört.

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Transkript
00:00Krankenhausbesuch im ostukrainischen Dnipro.
00:05Du heißt Vasil, richtig? Ich bin Almas.
00:10Wie du vielleicht gesehen hast, habe ich auch keine Beine mehr.
00:19So wie du jetzt, habe ich auch mal hier gelegen.
00:22Alles, was du gerade durchlebst, habe ich schon hinter mir.
00:25Knapp 5 Stunden vorher wurde Vasil eingeliefert.
00:32Der Automechaniker war vergangenes Jahr eingezogen worden,
00:35steuerte Drohnen, bis ihn dann eine russische Kampfdrohne aufspürte.
00:44Ich habe plötzlich einen starken Aufprall in meiner Brust gespürt.
00:48Es gab keine Zeit zu reagieren, um nach links oder rechts auszuweichen.
00:55Er verlor beide Beine bei dem Angriff.
00:58Der 26-jährige Artem im Nachbarbett hat eine ähnliche Geschichte.
01:02Seit 2018 holte er als Sanitäter verwundete Soldaten aus der Kampfzone,
01:07bis er selbst getroffen wurde.
01:08Wir verluten gerade die Verletzten in unseren Pick-up, als eine Drohne einschlug.
01:21Alle im Pick-up, alle sind gestorben.
01:26Diese drei Männer zählen zu den 6000 Menschen,
01:34denen seit Beginn der russischen Großinvasion hier in Dnepros Metchnikow-Krankenhaus
01:39Gliedmaßen amputiert wurden.
01:42Und die drei haben noch etwas gemeinsam.
01:45Sie alle misstrauen Putins Absichten bei Verhandlungen.
01:48Auch wenn Friedensgespräche beginnen sollten und ein Waffenstillstand erklärt wird,
01:57früher oder später geht es sowieso von vorne los.
02:00Spätestens in ein, zwei Jahren werden wir erneut eine Großinvasion auf die Ukraine erleben.
02:06Es wird keine Ruhe geben.
02:08Die Russen haben noch nie ihr Wort gehalten.
02:17Sie tun vielleicht so, als würden sie einem Vertrag zustimmen,
02:21aber sie halten sich nicht daran.
02:23Die Russen werden die Welt und auch uns immer wieder täuschen.
02:27Ohne die Unterstützung unserer Verbündeten sehe ich keinen Ausweg.
02:32Das sieht auch Almaz so, der ehrenamtlich im Krankenhaus arbeitet,
02:36seit Ärzte ihm hier 2023 das Leben retteten.
02:40Sie wollen unsere Gebiete, unsere Kinder, unser Volk und unsere Zukunft.
02:48Das können wir nicht akzeptieren.
02:51Wenn sie uns weiter bombardieren und töten,
02:56trotz angeblicher Friedensverhandlungen, ist das absurd.
02:59Auch Larissa kennt das Leben unter russischem Dauerbeschuss.
03:07Lange harte die 61-Jährige in ihrem Haus in Konstantinivka aus,
03:11in der Hoffnung auf Frieden.
03:14Es mag albern klingen,
03:16aber am Anfang setzte ich große Hoffnungen in Trump.
03:20Er versprach, dass es Verhandlungen geben würde.
03:23Wir haben gedacht, dass der Krieg bis Anfang des Jahres
03:25oder spätestens bis Ostern vorbei sein würde.
03:27Und jetzt hoffen die Menschen in Konstantinivka auf den 9. Mai.
03:32Vielleicht wird Putin ja dann den Krieg beenden.
03:36So lange wollte Larissa nicht warten,
03:38weil es für ihre Mutter weder Ärzte noch Medikamente gab.
03:42Die beiden sind nun in einer Flüchtlingsunterkunft in Pavlorat,
03:46während die Heimat zur Geisterstadt geworden ist,
03:49in der nur noch zurückgelassene Hunde und Katzen herumstreuen.
03:52Das Schlimmste ist, dass wir vielleicht nie zurückkehren.
04:06Auch unser Konstantinivka könnte so enden wie Bachmut.
04:11Und dann wäre unsere Heimat für immer verloren.
04:14Larissa hat zwei Söhne, die an der Front kämpfen.
04:21Kiew, so sagt sie, möge es anders sehen.
04:24Aber sie will einfach nur, dass der Krieg endet.
04:26Ich wünschte, dass dieser Krieg noch heute vorbei ist,
04:32in dieser Sekunde.
04:34Dass uns jemand anruft und sagt, es ist vorbei.
04:37Ihr könnt nach Hause.
04:39Wer das nicht kennt, kann sich glücklich schätzen.
04:42Sie sagen, wir müssen kämpfen bis aufs letzte Blut.
04:45Aber es könnte das Blut meiner Kinder sein.
04:48Ich möchte nicht, dass sie ihr Leben opfern.
04:50Sie sollen nach Hause kommen.
04:51Elia wartet darauf, dass ihr Ehemann Andri heimkehrt.
04:59Die Russen nahmen ihn vor mehr als drei Jahren gefangen,
05:02gleich zu Beginn der Großinvasion.
05:04Ein Kamerad aus seiner Einheit konnte einen letzten Anruf absetzen.
05:13Ich hörte ihn sagen, Liebling, wir leben.
05:16Sie haben uns gefangen genommen.
05:21Sascha ist bei mir.
05:25Dann brach die Verbindung ab und ich hörte nie wieder von ihm.
05:33Das ist Sascha, Andris Neffe.
05:36Er kam bei einem Gefangenenaustausch im Februar frei
05:38und brachte schlimme Geschichten von Folter und Hunger mit zurück.
05:43Man lebt in permanenter Angst.
05:51Am schlimmsten war es, wenn sie dich herausgeholt und gefoltert haben.
06:00Und wir hatten keine Infos, haben nichts gewusst, gehört.
06:05Niemand hat uns irgendwas erzählt oder gezeigt.
06:08Während Sascha allmählich wieder auf die Beine kommt,
06:14wartet seine Familie auf ein Lebenszeichen von Andri.
06:18Die aktuellen Friedensverhandlungen finden sie ermutigend.
06:21Doch ein Kriegsende zu Russlands Konditionen
06:23kommt für sie nicht in Frage.
06:25Viele Helden haben ihr Leben gelassen.
06:32Das darf nicht umsonst gewesen sein.
06:37Mein Mann zog in den Krieg, um unsere Familie zu beschützen,
06:41damit unser Sohn nicht in den Krieg ziehen muss
06:43und ihm diese Hölle erspart bleibt.
06:46Elia wünscht sich, dass die westlichen Unterstützer der Ukraine
06:55den Druck auf Russland erhöhen.
06:57Russlands Forderungen einer Entmilitarisierung der Ukraine
07:00lehnt sie ab, auch wenn sie weiß,
07:03dass es Zugeständnisse wird geben müssen.
07:08Ich verstehe, dass wir zum Beispiel nicht alle Gebiete
07:11werden zurückerobern können.
07:13Doch unser Land sollte so gut es geht geeint bleiben.
07:16Zweifel an der Einigkeit und Resilienz seines Landes
07:21hat dieser 22-Jährige aus Mariupol nicht.
07:25Andri weiß, wovon er redet.
07:26Er erlebte den Einmarsch russischer Truppen
07:28in seiner Heimatstadt hautnah mit.
07:38Ich habe alles gesehen, was der Krieg mit sich bringt.
07:43Wie das Wasser knapp wird.
07:46Strom und Heizung ausfallen.
07:48Die Kommunikation unterbrochen wird.
07:52Wie Geschäfte geplündert werden.
07:54Panzer, Militär, Bombenangriffe und die ersten Toten.
08:00Ich habe gelernt, zu überleben.
08:05Nachdem er monatelang von der Welt abgeschnitten war,
08:08trat Andri einer Widerstandsgruppe auf Telegram bei.
08:11Sie dokumentierten das Vorgehen der russischen Besatzer.
08:15Meine Aufgabe war es, Fotos von möglichen Standorten russischer Truppen zu machen.
08:23Wo sie sich und ihr Equipment hinbewegen.
08:26Und falls es irgendwelche Luftabwehrsysteme gab,
08:29sollte ich das auch umgehend melden.
08:31Doch seine Aktivitäten flogen auf und die russischen Besatzer suchten nach ihm.
08:39Ein Jahr nach Beginn der Großinvasion gelang Andri die Flucht aus Mariupol.
08:43Dank der Hilfe russischer Antikriegsaktivisten.
08:44Von seinen Eltern konnte er sich nicht verabschieden.
08:49Nun studiert er in Dnipro und wünscht sich nichts sehnlicher als das Ende des Krieges.
08:53Die Menschen sind kriegsmüde.
09:00Sie möchten einfach mal durchatmen.
09:01Bei Nacht einen Spaziergang durch die Stadt machen.
09:05Doch stattdessen gibt es jede Nacht mehrfach Luftalarm.
09:07In jeder Stadt.
09:09Das macht den schlimmen Krieg noch schwerer erträglich.
09:13Die Soldaten sind durchgehend an der Front gewesen.
09:17Sie brauchen eine Pause.
09:19Doch Frieden hat einen Preis, sagt Andri.
09:29Die ukrainischen Grenzverläufe werden sich vermutlich ändern.
09:33Doch die Menschen, die in den besetzten Gebieten leben,
09:35werden sich damit nicht abgeben.
09:37Sie werden weiter Widerstand leisten, so wie ich es getan habe.
09:41Und wie es auch die Menschen in Donetsk seit mehr als zehn Jahren tun.
09:46Er weiß nicht, wie lange es dauern wird.
09:48Doch er ist sich sicher, dass er eines Tages nach Mariupol heimkehren kann.

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