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Nach dem Rücktritt von Kanzler Karl Nehammer wären jene Stimmen in der Volkspartei deutlich leiser, die sich gegen die FPÖ aussprechen – das sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Als nächstes trifft er Herbert Kickl zu einem persönlichen Gespräch.

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Transkript
00:00Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die hier leben, wenn ich etwas gelernt
00:19habe in meiner Zeit als Bundespräsident der Republik Österreich, dann ist es, dass es
00:24wirklich immer wieder neue Situationen gibt. Man denkt, man kennt die Lage, man hat schon
00:32wirklich viel erlebt und dann plötzlich gibt es wieder eine neue Situation. Wie Sie wissen,
00:38hat Karl Nehammer gestern Abend seinen Rückzug als Bundeskanzler und als Parteiobmann der ÖVP
00:45angekündigt, nachdem die Gespräche zur Regierungsbildung zwischen ÖVP und SPÖ gescheitert
00:52sind. Karl Nehammer hat mir heute in einem persönlichen Gespräch versichert, dass der
00:58Übergang in aller Ruhe und geordnet stattfinden wird. Konkret bedeutet das, dass Herr Nehammer
01:06vorerst, vorerst als Kanzler die Verwaltung in der bestehenden Übergangsregierung fortführen
01:12wird und im Lauf der kommenden Woche ein neuer Kanzler der Übergangsregierung von mir betraut
01:19wird. Damit sind die ordentliche Verwaltung und die Fortführung der Geschäfte der Republik
01:26Österreich sichergestellt und gewährleistet. Ich möchte nicht versäumen, Herrn Nehammer für seine
01:33Dienste als Bundeskanzler der Republik Österreich herzlich zu danken. Es waren nun wirklich keine
01:40einfachen Zeiten, in denen er unserer Heimat an der Spitze gedient hat und es ist mir wichtig,
01:47das auch zu betonen und zu würdigen. Aber zurück zur Causa Prima, zurück zur neuen Situation. Lange
01:55wurde der Eindruck vermittelt, als gäbe es eine gute Basis zwischen den gesprächsführenden Parteien,
02:01der ÖVP, der SPÖ und auch den NEOS und selbst nach dem Ausstieg der NEOS wurde mir berichtet,
02:09dass eine Einigung möglich sei. Dass die Gespräche nun endgültig gescheitert sind,
02:15ist für viele von Ihnen, meine Damen und Herren, eine große Enttäuschung. Und ich will Ihnen auch
02:22nichts vormachen. Auch für mich kam das überraschend. Und Sie alle wissen, das war nicht mein Wunsch.
02:29Aber darum geht es jetzt nicht. Es geht darum, dass Österreich eine Regierung bekommt, die
02:36handlungsfähig ist. Es geht darum, dass wir ein gemeinsames Bild haben, finden von einem Österreich,
02:43in dem wir leben wollen. Wir brauchen eine Bundesregierung mit einer stabilen Mehrheit,
02:49das heißt einer Mehrheit über 50 Prozent im Nationalrat. Das habe ich schon des Öfteren betont,
02:55wie Sie wissen. Sie wissen auch, dass ich unserer Heimat leere Kilometer ersparen wollte und daher
03:02im letzten Oktober Herbert Kickl nicht mit einer Regierungsbildung beauftragt habe. Denn sowohl
03:10Karl Nehammer wie auch Andreas Babler hatten ja wiederholt ausgeschlossen, unter der Führung
03:17Herbert Kickls mit der FPÖ koalieren zu können, zu wollen. Seit gestern hat sich die Situation
03:24geändert. Karl Nehammer zieht sich zurück und hat den Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt.
03:32Ich habe, liebe Österreicherinnen und Österreicher, die letzten Stunden genutzt und mit zahlreichen
03:38politischen Verantwortungsträgern gesprochen. Bei diesen Gesprächen hat sich das Bild ergeben,
03:44dass die Stimmen innerhalb der Volkspartei, die eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Herbert
03:52Kickl ausschließen, deutlich leiser geworden sind. Das wiederum bedeutet, dass sich möglicherweise
04:00ein neuer Weg auftut, der so davor nicht existierte. Und aus diesem Grund habe ich den
04:07Parteichef der Freiheitlichen Partei, Herrn Herbert Kickl, angerufen und vereinbart, dass wir uns
04:13morgen um 11 Uhr hier in der Hofburg treffen, um die neue Situation zu besprechen.
04:21Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Demokratie geht es darum, dass man um Lösungen
04:27ringt und dann auch die entsprechenden Kompromisse schließt und dies auch aufrichtig tut.
04:34Ohne diese Kompromisse und Aufrichtigkeit geht es in der Demokratie nicht. Und genauso wenig geht es in der
04:42liberalen Demokratie ohne die in unserer Bundesverfassung festgelegten Voraussetzungen, etwa den
04:50Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, Menschenrechte und Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien
04:59und die EU-Mitgliedschaft. Ich werde jedenfalls weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen darauf achten, dass diese
05:09Grundpfeiler unserer Demokratie respektiert werden. Sie sind das Fundament, auf dem unser Wohlstand und unsere
05:17Sicherheit aufgebaut sind. In diesem Sinne, danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich werde Sie weiterhin sofort direkt
05:26informieren, wenn es etwas Neues gibt. Vielen Dank.

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