• vor 2 Monaten
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag ÖVP-Chef Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragt. Überdies habe er ihn ersucht, umgehend Verhandlungen mit der SPÖ aufzunehmen. Geklärt werden soll weiters, ob es einen dritten Partner brauche. Dieses Vorgehen begründete er bei einer Stellungnahme in der Hofburg damit, dass FPÖ-Obmann Herbert Kickl keinen Koalitionspartner finde, der ihn zum Bundeskanzler mache.
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Transkript
00:00Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die hier in Österreich leben,
00:18ich habe Ihnen versprochen, Sie laufend über den Stand der Dinge zu informieren.
00:23Und heute, rund drei Wochen nach der Nationalratswahl, ist es wieder so weit.
00:30Lassen Sie mich noch einmal wiederholen, worum es geht und was bisher geschah,
00:35weil es wichtig ist, dass wir darüber Klarheit haben.
00:39Also Österreich braucht eine handlungsfähige, eine stabile, eine integre Regierung.
00:45Der Zeitraum, in dem sich diese findet, soll so kurz wie möglich, aber so lang wie nötig sein.
00:53Es geht ja zuallererst um Österreich.
00:56Eines möchte ich vorab betonen. Es ist wichtig.
01:01Bei der Nationalratswahl am 29. September handelt es sich nicht um ein Rennen,
01:09bei dem die Partei, die als erste durchs Ziel geht, automatisch die Regierung stellt.
01:16Wenn eine Partei allein regieren will, muss sie die 50-Prozent-Hürde überspringen.
01:23Es reicht nicht, 10, 20 oder 30 Prozent zu erzielen.
01:29Und wenn eine Partei alleine nicht mehr als 50 Prozent erreicht,
01:35dann muss sie eben Partner, Partnerinnen überzeugen und auch den Bundespräsidenten.
01:42Die Bildung einer Koalition ist die Voraussetzung, um über die 50-Prozent-Hürde zu kommen.
01:49Eine solche Koalition braucht Inhalte, auf die man sich einigt,
01:54Kompromissfähigkeit, Zukunftsorientierung, Problemlösungskapazität.
02:00Also Partner, die miteinander wollen und einander vertrauen.
02:08Meine Damen und Herren, in Artikel 1 unseres Bundesverfassungsgesetzes ist grundgelegt,
02:13ich zitiere, Österreich ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volk aus.
02:21Und das Volk, das sind wir alle.
02:24Die 1,4 Millionen Wählerinnen und Wähler der FPÖ und die 1,3 Millionen Wähler und Wählerinnen der ÖVP
02:34und die 1 Million der SPÖ und die 450.000 der NEOS und die 400.000 der Grünen
02:44und alle anderen, die andere Parteien gewählt haben oder ungültig gewählt haben
02:51oder gar nicht zur Wahl gegangen sind.
02:54Das Volk sind wir alle.
02:58Und wir sind unterschiedlich, unterschiedliche Dinge sind uns wichtig,
03:03daher wählen wir unterschiedliche Parteien und niemand kann allein das ganze Volk für sich beanspruchen.
03:12Niemand.
03:14Alle Wählerinnen und Wähler haben mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis.
03:20Jede Stimme zählt gleich viel und aus diesen Stimmen ergeben sich die Mandate im Nationalrat
03:27und nur eine Mehrheit über 50 Prozent kann dort Gesetze beschließen.
03:32So ist eben Demokratie.
03:36Das heißt also, jede Partei muss einen Partner oder sogar mehrere Partner finden,
03:42um eine stabile Regierung bilden zu können.
03:46Aus dem Ergebnis der Wahl folgt auch, und das ist auch nicht unwichtig,
03:50aus dem Ergebnis der Wahl folgt, dass mindestens zwei der drei größeren Parteien zusammenarbeiten müssen.
03:58Anders ist eine Mehrheit im Nationalrat nicht möglich.
04:04So weit, so gut, liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die in Österreich leben.
04:10Bisher war es nach den Wahlen üblich, dass der Bundespräsident den Vorsitzenden der jeweils stimmenstärksten Partei
04:19mit der Führung von inhaltlichen Gesprächen beauftragt hat.
04:24Diesmal habe ich das nicht getan.
04:27Ich habe es nicht getan, weil diesmal der vollkommen unübliche Fall eingetreten ist,
04:32dass es eine stimmenstärkste Partei gibt, selbstverständlich,
04:36mit der aber all dem Anschein nach keine der anderen Parteien zusammenarbeiten will.
04:43Wenn eine Situation neu ist, braucht sie auch neue Lösungen.
04:46Also noch einmal zur Erinnerung.
04:49Die ÖVP schloss eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Herbert Kickl aus.
04:55SPÖ, NEOS und Grüne wollten mit der FPÖ grundsätzlich nicht regieren.
05:00Herbert Kickl wiederum versicherte, dass es die FPÖ in einer Regierung nur mit ihm als Bundeskanzler geben würde.
05:11Eine klassische Bad-Situation habe ich das vor rund zehn Tagen genannt.
05:16Und die war, was die Aussagen aller Beteiligten betraf, eigentlich klar.
05:21Aber dennoch habe ich die drei stimmenstärksten Parteien beauftragt,
05:26noch einmal miteinander zu reden, Gespräche miteinander zu führen.
05:30Das war mir wichtig, um klarzustellen, ob sie das, was sie gesagt haben,
05:35auch wirklich ernst meinen, unmissverständlich.
05:41Die Wählerinnen und Wähler aller Parteien haben sich den Respekt verdient,
05:45dass hier Klarheit hergestellt wird.
05:47Die Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ haben diese Gespräche nun geführt und mir gestern davon berichtet.
05:57Und ich berichte nun Ihnen, meine Damen und Herren,
06:01die medial kolportierten Aussagen der letzten Tage und Wochen wurden in diesen Gesprächen voll und ganz bestätigt.
06:11Herbert Kickl hat mir gegenüber deutlich festgehalten,
06:15dass es eine FPÖ-Regierungsbeteiligung ausschließlich mit ihm als Bundeskanzler geben würde.
06:22Die anderen Parteichefs haben glaubhaft versichert, dass sie genau das nicht wollen.
06:29Die Gründe gegen eine Koalition mit der FPÖ und der Herbert Kickl,
06:33die mir von den Parteivorsitzenden von ÖVP und SPÖ genannt wurden,
06:40waren unter anderem Sorgen um die liberale Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit,
06:46Gewaltenteilung, mangelnde pro-europäische Haltung und daher Beschädigung des Wirtschaftsstandortes Österreich,
06:55Russlandpolitik und Putin-Nähe, massive Sicherheitsbedenken der ausländischen Geheimdienste,
07:03die Zusammenarbeit mit Österreich bei einer Regierungsbeteiligung Kickls massiv einschränken würden,
07:10spaltende und habwürdigende Sprache, mangelnder Respekt, ein rückwärtsgewandtes Frauenbild
07:18und fehlende Abgrenzung gegen Rechtsextremismus.
07:23Soweit ein Überblick über die Gründe, die aus Sicht von ÖVP und SPÖ
07:28gegen eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ sprechen.
07:33Das bedeutet also, mehrfach bestätigt, mit Bedenkzeit, mit zusätzlichen Gesprächen,
07:41klar und unmissverständlich, Herbert Kickl findet keinen Koalitionspartner, der ihn zum Bundeskanzler macht.
07:51Meine Damen und Herren, es geht nun darum, auf anderem Weg so rasch wie machbar
07:56eine handlungsfähige, stabile, integre Bundesregierung zustande zu bringen.
08:02Ich beauftrage daher Karl Nehammer, den Vorsitzenden der zweitstärksten Parlamentspartei mit der Regierungsbildung
08:12und habe Karl Nehammer das auch heute Vormittag persönlich mitgeteilt.
08:18Dabei habe ich ihn auch gebeten, umgehend Verhandlungen mit der Sozialdemokratischen Partei aufzunehmen.
08:28Zwei wesentliche Fragen müssen für erfolgreiche Regierungsverhandlungen und eine Regierungsbildung geklärt werden.
08:36Erstens, ich finde, wir haben einen weitgehend fairen Wahlkampf erlebt.
08:43Wir haben aber in den vielen verschiedenen Diskussionsformaten auch gesehen,
08:48dass die inhaltlichen Positionen zu wesentlichen Zukunftsfragen zum Teil weit auseinanderliegen.
08:55Hier ist ein Aufeinanderzugehen und ein wechselseitiges Verständnis, worum es dem Gegenüber im Kern geht, notwendig.
09:05Und am Ende der kommenden Verhandlungen wird ein Kompromiss stehen, werden Kompromisse stehen.
09:11Kompromisse zwischen unterschiedlichen Parteien, die jeweils unterschiedliche Wählerinnen und Wähler vertreten.
09:18Das ist eben das, was unsere Demokratie ausmacht.
09:22Dafür gibt es ja die demokratischen Wahlen, damit sich nicht eine Seite einfach rücksichtslos durchsetzen kann.
09:30Es braucht den Kompromiss und das ist gut und wichtig.
09:36Zum Zweiten möchte ich geklärt haben, ob mit der knappen Mehrheit, die ÖVP und SPÖ gemeinsam im Nationalrat haben,
09:45eine stabile Regierung gebildet werden kann oder ob eine dritte Partei in kommende Regierungsverhandlungen eingebunden werden soll.
09:58Meine Damen und Herren, wir stehen vor großen Herausforderungen und wir brauchen Reformen,
10:03die tiefgreifend sind, konsequent umgesetzt werden und von einer breiten Basis getragen werden.
10:09Ich vertraue auf Augenmaß und Verantwortungsgefühl der ÖVP, der SPÖ und der weiteren an den Verhandlungen teilnehmenden Parteien.
10:21Und ich werde mir laufend über Fortschritt und Stand der Gespräche Berichte starten lassen.
10:28Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Aufmerksamkeit.

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