Zum Player springenZum Hauptinhalt springenZur Fußzeile springen
  • gestern
Clair Obscur: Expedition 33 ist am 24. April 2025 für PC, Xbox Series und PS5 erschienen und hat sich seitdem zu einem wahren Phänomen entwickelt. Fans und Presse lieben das "JRPG", das nicht aus Japan stammt, und der Titel durchbricht eine Bestenmarke nach der anderen. Mittlerweile ist Expedition 33 sogar das Spiel mit dem besten User-Score auf Metacritic - und zwar aller Zeiten!

Bei solchen Superlativen stellen sich doch direkt ein paar Fragen: Wie konnte ausgerechnet dieses Spiel zu einer Art Hoffnungssymbol werden? Wie konnte ein verhältnismäßig kleines Team ein so großes Projekt stemmen? Und wie passt Ubisoft in all das hinein?

In diesem Video gehen wir dem Phänomen einmal auf den Grund und schauen uns an, wieso Expedition 33 tatsächlich eine kleine Hoffnung für den AAA-Markt sein könnte.
Transkript
00:00145.000 gleichzeitig aktive Spiele auf Steam. Nicht ne halbe, nicht eine, sondern zwei Millionen
00:11verkaufte Einheiten trotz Game Pass-Verfügbarkeit und der mutmaßlich höchste User-Score auf
00:16Metacritic aller Zeiten. Claire Obscure Expedition 33 vermeldet eine traumhafte Meldung nach der
00:22anderen. Huch, da ist ja schon wieder eine. Das Rollenspiel, das am 24. April für PC und
00:27Konsolen erschienen ist, entwickelt sich nur wenige Wochen nach Release zu nem richtigen
00:31Phänomen. Fans und Presse lieben Expedition 33, weil es genau das symbolisiert, was alteingesessene
00:38Spieler schon lange vermissen. Ein Spiel von Spielern für Spieler, ohne irgendwelchen Live-Service-Quatsch.
00:44Aber wie konnte ausgerechnet dieses Spiel zum Hoffnungssymbol nicht nur für JRPG-Fans,
00:48sondern für uns Gamer insgesamt werden? Weshalb stecken in Expedition 33 tatsächlich viele Antworten
00:54auf die schwierige Lage der Games-Branche? Und was hat Ubisoft mit all dem zu tun? Genau
00:58das schauen wir uns in diesem Video einmal genauer an.
01:01Für die Antworten auf all diese Fragen müssen wir aber erst einmal zurück.
01:21Das ist Miami, oder? Nee, nicht so weit.
01:23Genau, ins Jahr 2020. Denn Claire Obscure wäre nie zustande gekommen, wenn nicht ein Mann in
01:32genau diesem Jahr tierisch gelangweilt wäre. Der Mann heißt Guillaume Brosch und arbeitet
01:38bei Ubisoft als Narrative Lead an der Might & Magic Serie. Und weil er sich 2020 eben so sehr
01:43langweilt, spinnt Brosch im Kopf mit ner Idee herum. Wie wäre es mit einer modernen Interpretation einer
01:49seiner Lieblingsreihen? Wie wäre es mit einem klassischen Final Fantasy nur eben mit zeitgemäßer
01:55Optik? Was der gute Mann noch nicht weiß, mit dieser Idee allein wird er in wenigen Jahren einen
02:00Nerv treffen, aber dazu später mehr. Zunächst einmal will Brosch für dieses Konzept ne Demo
02:04zusammenschrauben. Dafür sucht er sich andere Entwickler, die auch endlich mal was anderes machen
02:09wollen. Brosch findet alleine bei Ubisoft zwölf weitere scheinbar gelangweilte Kollegen,
02:14die sich dem Team liebend gerne anschließen. Die restlichen Mitstreiter rekrutiert er kein Witz,
02:18vor allem auf Reddit. Zum Beispiel findet Brosch im Internetforum die spätere Lead-Autorin von
02:23Expedition 33, Jennifer Svedbeck-Yen. Eigentlich erst mal als Synchronspecherin. Erst nach und nach
02:29merkt die neue Truppe, dass sie sich perfekt als Autorin eignet. Sie war es übrigens auch,
02:33die das Setting maßgeblich beeinflusste. Eigentlich hatte Brosch eine Steampunk-Welt
02:38im viktorianischen England inklusive Zombies und Aliens im Sinn. Aber zurück zur Rekrutierung,
02:43da gibt's nämlich noch ne besonders kuriose. Komponist Lorient Testar findet Brosch
02:48über Soundcloud. Ja, das gibt's immer noch. Damit setzt sich die kleine Truppe für Brosch's
02:53Final Fantasy-Ode aus einer gesunden Mischung von Branchen-Veteranen und jungen, frischen
02:57Entwicklern zusammen. Also ist doch alles klar. Das neue Team brennt für ein Projekt,
03:02viele Entwickler arbeiten schon bei Ubisoft, da scheint der nächste Schritt ja logisch. Ab zu
03:06den Ubi-Chefs mit der Demo. Das passiert aber nicht. Nur, wieso nicht? In einem Gespräch mit dem
03:12französischen YouTuber Boussi Café gab Brosch dafür zwei Gründe an. Expedition 33 hätte die
03:21Pitch-Phase bei Ubisoft einfach nicht überstanden. Entwickler hätten nicht einfach mal ebenso neue
03:26Ideen weitergeben können. Der Vorschlag wäre also nicht einmal bei Broschs Vorgesetzten angekommen.
03:31Und selbst wenn das Wiedererwarten doch irgendwie geklappt hätte, wäre Claire Obscure trotzdem nie
03:36Realität geworden. Denn Ubisoft würde keine Ressourcen in eine neue IP stecken, sofern nicht ein bekannter Name
03:42oder eine möglichst massentaugliche Idee dahinter steckt. Das ist sonst zu viel Risiko.
03:46Selbst wenn das alles geklappt hätte, also die Idee Wiedererwarten, die Vorgesetzten erreicht
03:51und Ubisoft das Go gegeben hätte, die Entwicklung bei Ubisoft würde viel zu lange dauern. Das führte
03:57Brosch zwar nicht aus, aber mit Blick auf Beyond Good & Evil 2 und Skull & Bones können wir zumindest
04:02erahnen, was der Entwickler damit meint. Ubisoft koordiniert bei Assassin's Creed und Co. über 1000 Entwickler,
04:08da können Prozesse schon mal deutlich länger dauern. Entsprechend machte der Schritt zum
04:11neuen Studio für Brosch eine Menge Sinn. Trotzdem, dass es scheinbar nicht möglich ist,
04:16dass etwas wie Expedition 33 unter Ubisoft entstehen kann, sollte dem Publisher zu denken geben. Die
04:21Tatsache, dass das Rollenspiel eben von ehemaligen Ubisoft-Leuten stammt, dürfte hingegen die Beliebtheit
04:26des Titels ziemlich sicher gepusht haben. Ganz im Sinne von, hey, schaut mal, welche Geschichten und
04:31welche Kreativität in den großen AAA-Teams eigentlich schlummern, wenn man sie denn mal
04:36lässt. Jetzt wissen wir also, wieso Expedition 33 nicht unter Ubisoft erscheinen konnte. Aber
04:55wie haben knapp 30 Entwickler ein derart beeindruckendes Projekt auf die Beine gestellt? Kurz gesagt,
05:00Brosch traf mit seinem Team kluge Entscheidungen. Dröseln wir das Ganze mal auf. Brosch und seine neuen
05:05Kollegen gehen 2020 mit ihrer ersten Demo eben nicht zu Ubisoft, sondern gründen im September
05:10desselben Jahres das Studio Sandfall Interactive und wenden sich an Kepler Interactive. Der Publisher
05:16ist sofort von der Vision angetan und finanziert Expedition 33. Diese Zusammenarbeit ist für
05:22Sandfall ein Glücksgriff, denn hinter dem Namen steckt kein klassischer Geldgeber, sondern ein
05:26Kollektiv von Indie-Entwicklern. Die wissen also ganz genau, was ein Studio braucht und lassen Brosch
05:31sein Team komplett freie kreative Hand. Das hat sich für Kepler schon bei anderen Entwicklern bezahlt
05:36gemacht. Unter dem Publisher entstanden unter anderem Sifu, Pacific Drive und Scorn. Außerdem
05:41punktet Kepler neben der finanziellen Förderung vor allem mit Kontakten. So gewinnt Sandfall schnell
05:46prominente Sprecher fürs Projekt, darunter Charlie Cox oder Andy Serkis.
05:50Und logischerweise bedeutet eine volle Finanzierung auch Zugang zu mehr Ressourcen. Denn die Geschichte
06:14vom 30-köpfigen Team, das ein Triple-A-Spiel entwickelt hat, klingt zwar super, ist aber
06:19einfach nicht wahr. Da reicht schon ein Blick in die Credits. Einen großen Anteil der Animationen
06:23hat Sandfall zum Beispiel an ein südkoreanisches Team ausgelagert. Auch Lokalisierungen, Quality
06:28Assurance und vieles mehr konnte das Studio dank einem Publisher im Rücken outsourcen. Diese
06:33Auslagerungen zeigen aber auch, dass Brosch und sein Team einfach ziemlich kluge Entscheidungen getroffen
06:38haben. Die Branchenveteranen im Team wussten nämlich offensichtlich ziemlich genau, welche Arbeit sie
06:42realistisch selbst stemmen können und welche nicht. Auch die Wahl, doch noch von der Unreal Engine 4
06:48auf die Unreal Engine 5 zu wechseln, erwies sich als eine kluge Idee. Denn die liefert die beiden
06:53Systeme Nanite und Lumen von Haus aus mit. Das bedeutet, dass das Team weniger Zeit in Geometrieobjekte
06:58und Beleuchtungseffekte stecken musste. Stattdessen konnte sich das Team auf sogenannte Hero Assets
07:04konzentrieren. Also zum Beispiel den Schiefenturm von Paris im Hintergrund, die Figurenmodelle und viele
07:08andere Sachen. Gerade die Zugänglichkeit und die mitgelieferten Systeme der modernen Engine
07:13machen laut Branchen Spiel dieser Größe von einem kleineren Team überhaupt erst möglich. Mit all den
07:18perfekten Rahmenbedingungen, der guten Planung und der überlegten Auslagerung macht Sandfall innerhalb
07:23von rund fünf Jahren aus Broschs Vision Realität. 2024 stellt das Studio Clare Obscure Expedition 33
07:30offiziell vor und kündigt es auch direkt für den Game Pass von Microsoft an. Anfang 2025 wird dann bekannt,
07:35dass sogar eine Filmumsetzung geplant ist. Und im April 2025 erscheint Clare Obscure Expedition 33
07:42und schlägt ein wie … na, wie das Vieh hier. Wir wissen also, wie so ein ambitioniertes Projekt
07:58unter so einem kleinen Team überhaupt Realität werden konnte und wieso es bei Ubisoft nie eine Chance hatte.
08:03Aber eine gute Idee, ein frisches, übersichtliches Studio und ein guter Geldgeber allein machen noch
08:08kein erfolgreiches Spiel. Es sind ja auch nicht alle anderen Projekte ehemaliger Ubisoft, Blizzard
08:13oder Bioware-Entwickler durch die Decke gegangen. Expedition 33 schon, denn es profitiert von einem
08:19ganz simplen Fakt. Es gibt keine klassischen JRPGs mehr, zumindest nicht im AAA-Bereich. Klar,
08:26es erscheinen immer noch großartige japanische Rollenspiele wie die Like a Dragon-Reihe,
08:30die Trails-Serie, Persona oder Metaphor Re-Fantasio. Aber klassische Fantasy-JRPGs? Die gibt's ja nicht
08:37einmal bei Final Fantasy, der großen Expedition 33-Inspiration. Die Serie von Square Enix hat sich
08:43schon lange von ihrer alten Identität verabschiedet und setzt eher auf direkte Action- und Open-World-Bereiche.
08:48Eine Oberweltkarte gibt es schon seit 25 Jahren, rundenbasierte Gefechte seit über zehn Jahren nicht
08:54mehr. Wer alles das suchte, wurde bislang nur bei Indie-Titeln aller Sea of Stars oder Chained
08:59Echoes fündig. Sandfall ändert das. Claire Obscure Expedition 33 ist genau das,
09:05was sich Fans von Final Fantasy seit Jahren wünschen und was es in dieser Form nicht mehr gab. Ein
09:10klassisches, modernes Triple-AJ-RPG. Das klingt widersprüchlich, aber das Rollenspiel setzt eben
09:16auf all die alten Genretugenden und bietet in Form der dynamischen, rundenbasierten Gefechte
09:21ja trotzdem Innovationen. Das zusammen mit der schicken Grafik, einem Verzicht auf einen Anime-Look
09:26und einer klaren, spannenden Ausgangslage macht Expedition 33 sogar für JRPG-Muffel interessant.
09:32Und zwar richtig interessant. Die Spielerzahlen nehmen in den ersten Wochen nach Release einfach
09:37nicht ab. Das ist vor allem für einen Einzelspielertitel wirklich sehr ungewöhnlich. Normalerweise geht die
09:43Kurve bei solchen Spielen beständig nach unten. Nicht so bei Expedition 33.
09:47Der Erfolg von Claire Obscure Expedition 33 ist großartig. Aber trotzdem kann man ihn nicht
10:02nur am Spiel selbst festmachen. Ja, das Rollenspiel ist ein wirklich hervorragendes Abenteuer mit einer
10:08der besten Geschichten der vergangenen Jahre und einem motivierenden und komplexen Kampfsystem.
10:12Aber es ist eben vor allem ein Spiel, bei dem viele Sachen zusammenkommen. Die kluge Planung der
10:17Entwickler, der passende Publisher und vor allem trifft das Rollenspiel einen bestimmten Nerv.
10:22Expedition 33 ist ein modernes, klassisches JRPG ohne Wenn und Aber. Und gerade wegen dieser
10:29Kompromisslosigkeit, dieser Kreativität, die in dem Spiel steckt, ist der Titel – genau wie übrigens in
10:34Kingdom Come Deliverance 2 – ein Statement. Man braucht keine tausend Entwickler für ein gutes Triple-A- oder
10:40Spiel. Nur ein leidenschaftliches Team, das genau weiß, was es tut und wo seine Grenzen liegen.
10:45Expedition 33 ist von Spielern für Spieler gemacht und rennt eben nicht dem nächstbesten Trend oder
10:51der nächstbesten Monetarisierungsform hinterher. Kreative und gute Spiele? Es geht doch offenbar.
10:57Der Erfolg von Expedition 33, Kingdom Come 2 und Co. zeigt ja ganz klar, Spieler sehnen sich nach neuen,
11:03einzigartigen Geschichten und Erlebnissen, die der aktuelle Triple-A-Markt nicht bietet. Und gerade die Art,
11:09wie Sandfall Interactive an Spieleentwicklung herangegangen ist, könnte wieder zu mehr solcher
11:13Spiele führen. Das sagt nicht nur ich, das sagt auch der ehemalige PlayStation-Chef Shuhei Yoshida.
11:18Laut ihm trifft Expedition 33 die perfekte Balance zwischen Triple-A-Ambitionen, einem Double-A-Budget
11:24und einer unabhängigen Vision. Viel Geld bedeutet nämlich nicht automatisch ein besseres Spiel,
11:29es kann sogar eher Visionen einschränken. Immerhin muss ein fertiges Produkt umso mehr Geld einnehmen,
11:34je mehr es in der Produktion gekostet hat. Aber man sieht ja anhand von Expedition 33 oder eben
11:40Kingdom Come, dass es auch mit weniger Budget geht. Klar, Erfolge sind mit dieser Herangehensweise
11:45nicht garantiert. Nicht jede ambitionierte Idee führt automatisch zu guten Verkaufszahlen. Aber wenn
11:50die Budgets nicht mehr hunderte Millionen US-Dollar sprengen, tut Publishern Misserfolg mutmaßlich
11:55auch nicht mehr so weh. Man wendet sich einfach dem nächsten Projekt zu. Wir würden im Idealfall mehr kreative,
12:01frische Marken und Ideen bekommen. Genau wie es eben in den 2000ern der Fall war. Da sind nämlich
12:06viele der Serien entstanden, die wir heute noch kennen. Assassin's Creed, God of War, Call of Duty
12:10und mehr. Die haben auch alle mal verhältnismäßig klein und manchmal sogar experimentell angefangen.
12:15Genau deswegen weckt unter anderem Expedition 33 auch bei Spielern Hoffnung. Hoffnung auf mehr
12:21solcher Projekte. Ubisoft, aber auch alle anderen Publisher müssen sich selbst hinterfragen, wieso solche
12:26Spiele unter ihnen keine Chance haben. Oder warum man sich bei ihnen so langweilt,
12:31dass man nebenbei einen modernen Klassiker erfindet.

Empfohlen