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DW sprach mit der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe über den schwelenden Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, die Rolle Ruandas und Deutschlands Beitrag zur Stabilisierung der Region.

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Transkript
00:00Was sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo abspielt, das bewirkt und besorgt viele Menschen.
00:06700.000 Vertriebene, 3.000 Tote in kurzer Zeit, seit die von laut UNO, von woander unterstützten M23-Rebellen,
00:16die Provinzhauptstadt Goma im Nordkivu besetzen.
00:20Ich möchte darüber sprechen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, mit Luise Amsger.
00:27Hallo.
00:28Schön, dass Sie Zeit haben, Frau Amsberg.
00:31Was geht in Ihnen vor, wenn Sie die Nachrichten aus Goma und aus dem Osten des Kongo verfolgen?
00:37Also, es macht betroffen. Ich war das letzte Mal im Juni letzten Jahres dort und da war die Lage schon sehr angespannt.
00:44Vor allem auch die humanitäre Lage. Jetzt zu sehen, dass es sich militärisch weiter zuspitzt, gerade auch in Goma,
00:50wo so viele Geflüchtete schon vorher Schutz gesucht haben aus den umliegenden Dörfern und Kleinstädten,
00:56macht betroffen und ist eine Situation, die zwingend abgestellt werden muss.
00:59Was tut Deutschland dafür?
01:01Deutschland ist zunächst einmal mit größter humanitärer Geber in der Region, ist es auch schon vorher gewesen,
01:07aber natürlich auch jetzt mit, ja, als größter Geber sozusagen des Fonds der Vereinten Nationen,
01:13aber auch der bilateralen humanitären Hilfe, die Deutschland natürlich auch hochgefahren hat,
01:18was notwendig ist, denn die humanitäre Lage ist absolut katastrophal.
01:22Jetzt gab es ja ein Treffen der Regionalorganisation EAC und SADAG in Tansania
01:29und da wurde gefordert, die Einstellung der Feindseligkeiten, ein sofortiger Waffenstillstand,
01:33auch sowas wie die Öffnung des Flughafens von Goma, damit humanitäre Hilfe überhaupt durchkommen kann.
01:39Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
01:41Also, sie sind einen Schritt in die richtige Richtung, aber sicher noch nicht ausreichend.
01:45Also, wir brauchen natürlich noch mehr Garantien, der Waffenstillstand, der muss kommen.
01:49Also, eine Erkenntnis ist natürlich auch, dass es keine militärische Lösung für die jetzige Lage gibt,
01:55sondern eine politische Lösung angestrebt werden muss.
01:58Friedensverhandlungen zwischen den rivalisierenden Gruppen und Akteuren
02:03und gleichzeitig natürlich das Bestehen darauf, dass der Kongo souverän ist, ein souveräner Staat ist
02:08und natürlich auch die Souveränität von allen Akteuren, ja, respektiert werden muss.
02:13Das richtet sich dann an die Seite Rwandas. Was erwartet Deutschland von Kigali?
02:19Also, die Zusammenhänge zur M23, die dort vorgerückt ist nach Goma, die sind sehr offenbar und werden auch nicht hinterfragt.
02:28Insofern hat Rwanda eine absolut zentrale Rolle bei der Frage, wie es weitergeht und auch bei der Frage, kann es zu Frieden kommen.
02:35Insofern bemüht sich natürlich auch die Bundesregierung gegenüber Rwanda mit einer klaren Ansprache,
02:40die Unterstützung der M23 einzustellen und sich mit auf den Weg des Friedens zu begeben.
02:45Jetzt ist es so, dass es eine Sorge gibt, weil die M23-Rebellen momentan Richtung Südkivu marschieren, Bukavu.
02:54Wie könnte das sich auswirken für die Zivilbevölkerung? Was verfolgen sie da? Was beobachten sie da?
03:02Naja, also für die Zivilbevölkerung ist das natürlich eine absolut schlechte Nachricht,
03:05wenn weiter Kampfhandlungen stattfinden, wenn weiter vorgerückt wird, auch auf andere Städte in der Region.
03:10Wir haben gesehen in Goma knapp 3000 Tote, unglaublich viel humanitäres Leid.
03:16Dasselbe steht natürlich zu befürchten, wenn die Kampfhandlungen und das Vorrücken so weitergeht.
03:21Insofern ist es absolut zentral, jetzt zu einem Waffenstillstand zu kommen und sich um die humanitären Belange der Bevölkerung zu kümmern.
03:28Da ist ja auch sicherlich die Demokratische Republik Kongo in der Verantwortung, sich um die eigene Bevölkerung zu kümmern.
03:35Sie haben Kontakte dorthin, Sie sprechen mit der Politik und der Zivilgesellschaft dort. Erwarten Sie da noch mehr?
03:44Also die kongolesische Regierung hat, als ich das letzte Mal da war im Juni, sehr deutlich gesagt,
03:49dass sie die Sicherheitsgarantien auch nach dem Abzug oder Teilabzug von MONUSCO geben kann, dass sie die Bevölkerung schützen kann.
03:57Wir haben damals auch schon mit großer Skepsis darauf geblickt und gesagt,
04:00wir wollen, dass MONUSCO weiter vor Ort präsent ist und die Bevölkerung mitschützt und die kongolesische Regierung auch unterstützt.
04:07Und das ist nach wie vor auch meine Position, dass man wirklich auch darauf drängen sollte,
04:12die Unterstützung der Vereinten Nationen, das robuste Mandat MONUSCO auch hier zu nutzen
04:16und mit den Vereinten Nationen zusammen für die Sicherheit vor Ort zu garantieren.
04:21Das ist jetzt natürlich absolut zentral und auch das, was wir gegenüber der kongolesischen Regierung deutlich machen.
04:26Haben Sie die Sorge, dass sich der Konflikt noch weiter ausweitet? Gerade in Südkivu gibt es auch burundische Truppen zum Beispiel.
04:33Also deshalb nochmal, die Souveränität des Kongos muss gewährleistet sein und zwar von allen Seiten.
04:39Der Kongo ist ein souveräner Staat, die Demokratische Republik Kongo ist ein souveräner Staat,
04:43der mit der Unterstützung der Vereinten Nationen durchaus in der Lage ist, auch das Land zu regieren
04:48und die katastrophale humanitäre Lage auch der zu begegnen.
04:54Aber das erfordert von allen Konfliktparteien und allen auch umliegenden Ländern die Souveränität des Kongos zu respektieren.
05:01Und wie nehmen Sie das wahr? Was sind die größten Hindernisse aktuell? Ganz praktisch, wenn jetzt Deutschland sagt,
05:08wir möchten, dass da zum Beispiel die und die und die Hilfe zu den Schutzbedürftigen gelangt.
05:15Also humanitäre Hilfe zu leisten im Kriegskontext, im Konfliktkontext ist immer wahnsinnig schwer.
05:20Die humanitär Helfenden sind in Gefahr. Wir haben ja jetzt auch leider traurige Nachrichten,
05:24dass humanitär Helfende ums Leben gekommen sind bei den Kampfhandlungen.
05:28Die humanitäre Versorgungslage, da hängt es sehr davon ab, welche Infrastruktur gibt es.
05:32Also der Flughafen Goma ist da ein ganz zentraler neureigischer Punkt.
05:36Und es ist völlig klar, solange die Kampfhandlungen so weiter vonstatten gehen, ist die humanitäre Arbeit eingeschränkt.
05:43Deshalb ist es oberstes Anliegen für uns, jetzt zu einem Waffenstillstand zu kommen, zum Einstellen der Kampfhandlung,
05:48dann auf den Weg eines Friedensprozesses zu gehen, aber gleichzeitig und zwar unmittelbar jetzt dafür zu sorgen,
05:55dass die Bevölkerung humanitär abgesichert wird und die humanitären Missstände denen irgendwie begegnet wird.
06:01Und das ist jetzt natürlich das vordringlichste Ziel.
06:04Wie nah geht Ihnen das Leid der Frauen in der Region?
06:07Als meine eigenen Erfahrungen in der Demokratischen Republik Kongo, gerade auch in Goma und Bukawo, also im Osten der Demokratischen Republik Kongo,
06:14ich habe es damals beschrieben mit einer epidemischen Lage.
06:18Also sexualisierte Gewalt gegen Frauen, gegen Kinder ist so massiv, dass man wirklich fast sagen kann,
06:24dass es wirklich nicht Halt macht vor irgendjemandem in der Region.
06:30Das heißt, wir haben es mit einer unglaublich volatilen Zivilgesellschaft auch zu tun,
06:36Frauen und Kinder, die massiver sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind.
06:39Für uns ist das deswegen auch immer ein zentraler Punkt gewesen in der humanitären Arbeit, in der Entwicklungszusammenarbeit,
06:45gerade Frauen und Kinder zu schützen, was im Osten der Republik Kongo auf jeden Fall Sinn macht.
06:51Denn das ist keine Kleinigkeit oder passiert auch nicht vereinzelt, sondern wirklich flächendeckend.
06:55Und das macht nicht nur betroffen, sondern es fordert wirklich zum Handeln auf.
06:59Und will das hier in Deutschland in Zeiten des Wahlkampfs noch jemand hören, wissen, ertragen?
07:04Also wir machen unsere Arbeit nicht entlang von Wahlkampf oder irgendwelchen Hoch- oder Tiefphasen der politischen Aufmerksamkeit.
07:10Für uns ist klar, als Bundesregierung, als Auswärtiges Amt, wir haben hier eine Verpflichtung den Menschen gegenüber.
07:15Wir sind aktiv in der humanitären Hilfe, egal ob Wahlkampf ist oder nicht und auch egal, wie groß das öffentliche Interesse ist.
07:22Aber ich sage auch mal als Menschenrechtsbeauftragte ganz deutlich, die Aufmerksamkeit muss auf diesen Konflikt,
07:28denn er hat das Potenzial regional sich auszubreiten.
07:31Und gerade für die Menschen, für die Zivilbevölkerung im Ostkongo ist jede Form von Aufmerksamkeit und jede Berichterstattung wichtig,
07:38um wirklich zu einer politischen Lösung zu kommen.
07:40Sollte jetzt der beste Fall einer Waffenruhe und eines politischen Prozesses nicht bald eintreten,
07:47wie weit sind Sie bereit, weitere Schritte zu gehen gegen Akteure, die beteiligt sind?
07:54Also entweder zum Beispiel die Regierung Ruandas oder auch die Regierung Kongos?
07:58Also wir werden mit allen Akteuren im Austausch bleiben und natürlich unsere Forderungen im EU-Kontext auch geltend machen,
08:05die auch immer wieder verstärken.
08:06Wir haben ja jetzt erstmal die Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda pausiert,
08:11die Gespräche über die Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit.
08:13Das ist ein wichtiger Schritt, denn es muss schon völlig klar sein,
08:15das Engagement der Bundesrepublik Deutschland ist immer auch ein friedenspolitisches.
08:19Und das geht natürlich nur, wenn die Souveränität des Kongos respektiert wird,
08:23auch von ruandischer Seite.
08:24Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen und hoffentlich den Weg auf,
08:29oder den Friedensprozess positiv mit begleiten können
08:32und dann auch wieder in eine vertiefte Partnerschaft mit allen Seiten gehen.
08:35Denn die Region braucht das, sie braucht Unterstützung, humanitäre Unterstützung.
08:39Aber es ist auch gleichzeitig klar, dass hier ganz klar politische Forderungen auch im Raum stehen
08:43und der Rückzug Ruandas aus dem Osten der Republik Kongo ist ein wesentlicher Schritt dafür.
08:48Ich danke für das Gespräch.
08:50Sehr gerne.
08:53Vielen Dank.

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