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Haben wir uns die Mathematik ausgedacht, oder ist sie tief eingeflochten in die Natur? Schon die alten Griechen (ja, natürlich die …) haben sich darüber Gedanken gemacht. Doch bis heute gilt mal wieder: Die einen sagen so, die anderen sagen so. Wie steht es also wirklich um die Mathematik: Erfunden? Oder entdeckt?

Kapitel:
00:00 Intro
00:44 Worum geht's?
02:58 Warum passen Mathematik und Naturwissenschaften so gut zusammen?
06:30 Mathematik als gemeinsame Sprache mit Außerirdischen?
07:32 Wie verstand Platon Mathematik?
09:18 Die Bedeutung der Allgemeinen Relativitätstheorie
12:20 Steckt die Mathematik also wirklich in der Natur?
14:55 Naturgesetze vs. Wirklichkeit
17:40 Warum Mathematik die Welt nicht (vollständig) erklären kann
20:08 Fazit

Noch mehr zum Thema:
Supercodes - Die geheimen Formeln der Natur: Unsichtbare Kräfte https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/supercodes-die-geheimen-formeln-der-natur-unsichtbare-kraefte-mit-harald-lesch-100.html?at_specific=TerraX&at_content=LeschundCo_Description
Die großen Fragen: Gibt es Gott? https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/die-grossen-fragen-gibt-es-gott-mit-harald-lesch-doku-100.html?at_specific=TerraX&at_content=LeschundCo_Description
Erklärt diese Formel die Pyramiden? https://www.youtube.com/watch?v=xVLWE_BF5kc

Quellen & weiterführende Links:
Unreasonable Effectiveness of Mathematics: https://web.archive.org/web/20210212111540/http://www.dartmouth.edu/~matc/MathDrama/reading/Wigner.html
Erfunden oder Entdeckt:
https://www.whyarewehere.tv/people/roger-penrose/# (Penrose)
https://www.spektrum.de/wissen/leopold-kronecker-1823-1891/1429551 (Kronecker)
https://www.spektrum.de/kolumne/goedels-unvollstaendigkeitssaetze-mathematik-ist-unvollstaendig/2019298 (Gödel)
https://webdoc.sub.gwdg.de/edoc/e/pome/pome12/article2.htm

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Moderation: Harald Lesch
Autor:in: Jana Steuer, Victor Riley
Redaktion: Jana Steuer, Victor Riley, Elisabeth zu Eulenburg
Produktion: Moritz Bömicke, Andrea Böhmer
Producer:in (objektiv media): Anne Westphal
Kamera: Thorsten Eifler
Ton: Louis Münzhuber
Schnitt: Dennis Burneleit
Thumbnail: David Weber
Grafiken: Dennis Burneleit / Kurzgesagt
Musik von Extreme Music & YouTube Audio Library

Dieses Video ist eine Produktion des ZDF, in Zusammenarbeit mit objektiv media.

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Transkript
00:00Ich weiß, ich werde mir mit dem Video nicht unbedingt nur Freunde machen,
00:04aber wir müssen mal darüber reden. Was ist eigentlich mit der Mathematik?
00:08Das Rad wurde erfunden, die Gravitation wurde entdeckt und was ist mit der Mathematik?
00:12Ist sie nur eine Erfindung? Wird es die Mathematik ohne uns Menschen überhaupt geben?
00:16Ist es nur eine reine Erfindung oder entdecken wir die Mathematik in der Natur?
00:21Schließlich beschreibt sie das Universum, sie beschreibt die Elementarteilchen.
00:25Ohne Mathematik könnten wir gar keine Naturwissenschaften betreiben.
00:27Also was steckt nun wirklich dahinter? Warum ist die Mathematik so unglaublich effizient
00:33in der Beschreibung der Natur? Gibt es sie wirklich oder ist alles nur Erfindung?
00:38Zunächst einmal ganz klar zu machen, es geht uns nicht um die mathematischen Formalismen.
00:51Also die Art und Weise, wie wir Zahlen benennen, ob es Binäre, Dezimale oder andere Zahlen sind,
00:57das sind natürlich menschliche Erfindungen, also wie wir das einteilen und so weiter.
01:02Es geht uns darum, ob es mathematische Strukturen gibt, die wir in der Natur entdecken.
01:08Wenn wir uns heute die moderne Physik anschauen, dann gibt es zwei große mathematische Strukturen,
01:13die alles beschreiben. Das ist einmal die Lagrange-Dichte des Standardmodells der Teilchenphysik,
01:19beschreibt das Kleinste aller Kleinsten, das wir überhaupt noch empirisch, also mit unseren Experimenten
01:24feststellen können und auf der anderen Seite die Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorien,
01:30mit denen wir die absurdesten, großen Objekte und sogar das gesamte Universum beschreiben können.
01:37Und nicht nur das, wir können sogar die Eigenschaften des Universums beschreiben,
01:41seine Dynamik, sein Herkommen und sein Wohin. Also wir können das Schicksal des gesamten Universums
01:46beschreiben und den Aufbau der Materie. Praktisch alles, was wir beobachten,
01:50folgt mathematischen Strukturen. Und selbst da, wo wir nicht wissen, was es ist, wie zum Beispiel
01:58die dunkle Energie, die dunkle Materie, Quantengravitation und viele andere Dinge,
02:04von denen wir noch nicht genau wissen, was es eigentlich ist, wie bearbeiten wir das?
02:08Na ja, mit Mathematik. Wir suchen nach Lösungen innerhalb des mathematischen Apparates,
02:13der uns zur Verfügung steht. Diese beiden mathematischen Strukturen, sind die wirklich da?
02:18Ganz offensichtlich, denn die Qualität von physikalischen Theorien, die richtet sich ja nach
02:25mathematischer Vorhersagekraft. Das heißt, da wird etwas prognostiziert, aus dem heraus man dann
02:31Experimente und Beobachtungen ableiten kann, die dann die Überprüfung dessen darstellen,
02:36was die mathematischen Theorien da tatsächlich vorhersagen. Und wenn das übereinstimmt,
02:41dann sagen wir, es ist richtig. Das sieht doch alles danach aus, bei diesen großartigen Theorien,
02:45mit dem Standardmodell der Teilchenphysik oder der allgemeinen Relativitätstheorie,
02:51als ob die Mathematik in der Natur drin stecken würde und wir sie praktisch nur noch entdecken.
02:58Im Jahr 1960 hat der theoretische Physiker, Nobelpreisträger Eugene Wigner, eine Arbeit veröffentlicht
03:04mit dem Titel, The Unreasonable Effectiveness of Mathematics in Natural Science.
03:10Die völlig unverständliche Effektivität der Mathematik in den Naturwissenschaften.
03:16Wieso passt das eigentlich so gut zusammen? Denn es gibt ja viele mathematische Erfindungen,
03:21also wirklich, die nur aus rein mathematischen Gründen erfunden worden sind,
03:26die sich dann in der Natur wiederfinden lassen. So zum Beispiel die Fibonacci-Zahlen.
03:31Die finden wir wieder in der Struktur von Ananas, von Blütenblättern, von Brokkoli usw.
03:37Also das ist eine reine Zahlenfolge, das war einfach ein Spiel. Das ist eine Folge von Zahlen,
03:42wobei die jeweilig nächste Zahl die Summe der vorherigen beiden ist usw. Das ist doch irre.
03:47Wieso findet man Fibonacci-Folgen in der Ananas oder in Blütenblättern?
03:53Was spielt das da für eine Rolle? Oder die komplexen Zahlen, auch so eine irre Geschichte.
03:58Ich meine, es gibt ja die ganzen Zahlen, 1, 2, 3, 4, das sind sogar die natürlichen ganzen Zahlen.
04:04Dann gibt es die ganzen Zahlen, da ist noch die Null mit dabei, dann die negativen Zahlen,
04:09dann gibt es die reellen Zahlen, da sind noch alle möglichen anderen mit dabei,
04:13die aber irgendwann ein Ende finden können, so wie ein Halb, ein Viertel, ein Drittel usw.
04:17Es gibt ja verschiedene Zahlenarten. Und dann gab es dann, in dem 19. Jahrhundert,
04:23entdeckt jemand nämlich Gauss, das heißt entdeckt, er macht sich Gedanken um ein mathematisches Problem,
04:28er macht sich nämlich Gedanken darum, was ist eigentlich die Wurzel auf Minus 1?
04:30Was ist die Wurzel auf Minus 1? Ist klar, ich meine, liegt auf der Hand.
04:33Also man kann Minus 1 ja quadrieren, Minus 1 mal Minus 1 ist 1.
04:38Und dann könnte man auch die Wurzel aus Minus 1 ziehen müssen. Aber was ist die Wurzel aus Minus 1?
04:44Ein ganz merkwürdiges, eigentlich, was würde man sagen, lächerliches mathematisches Problem.
04:49Aber dabei taucht eine Größe auf, die Gauss erfindet, nämlich i.
04:53Und dann macht er aus den Zahlen, die eigentlich für uns schöne, reelle, anständige Zahlen sind,
04:58mit denen man prima arbeiten kann, aus denen macht er Zahlen, die haben zwei Aspekte.
05:04Einen Realteil und einen Imaginärteil. Und dieser Imaginärteil, der wird nun immer mit der komplexen Zahl i
05:13multipliziert. i ist nämlich die Wurzel aus Minus 1. Da denkt man wirklich jetzt,
05:17komm, jetzt hör auf mit deinen mathematischen Spielereien.
05:20Es stellt sich aber heraus, mit diesen komplexen Zahlen lassen sich Funktionenklassen vereinen,
05:25lassen sich Effekte wunderbar beschreiben, die alle mit Oszillationen und mit Wellen einhergehen.
05:32Also komplexe Zahlen sind Zahlen, die einen Realteil besitzen und einen Imaginärteil.
05:38Bei den Wellen z.B. beschreibt der Realteil die Amplitudenhöhe und der Imaginärteil,
05:44wie sich die Amplitude im Laufe der Zeit verändert. Ist der Imaginärteil positiv,
05:49dann wird die Welle immer größer und größer und größer. Ist er negativ, wird die Welle gedämpft.
05:53Also zeitliche Vorgänge werden auf einmal durch die komplexen Zahlen unglaublich gut zu beschreiben.
06:00Das hätte der Gauss nie im Leben gedacht. Der Zusammenhang zwischen komplexen Zahlen,
06:05Oszillationen, Schwingungen und Wellen lag eigentlich überhaupt nicht auf der Hand.
06:09Also gibt es die Mathematik dann doch innerhalb der Natur? Und wenn sie so, wie soll ich sagen,
06:16objektiv ist, unabhängig von uns Subjekten, wenn diese mathematischen Strukturen überall da sind
06:21im Universum, überall, also im All, ja dann, dann eignen sie sich doch hervorragend,
06:27um mit Außerirdischen zu kommunizieren. In der ganzen Geschichte der Frage,
06:32wie könnten wir denn eines schönen Tages mal mit Außerirdischen sprechen, da gab es z.B.
06:36den Vorschlag von Gauss, wenn wir mit denen irgendwie in Kontakt kommen wollen,
06:40dann machen wir das über Mathematik. Und wie machen wir das am besten?
06:44Naja, die ersten Lebewesen, von denen Gauss vermutete, dass sie nicht auf der Erde leben,
06:47die leben auf dem Mond, die vom Mond gucken also auf die Erde runter,
06:51wie könnten die dann feststellen, dass wir hier intelligent sind?
06:54Wir mähen den Satz von Pythagoras, den kennt ihr natürlich alle noch,
06:59A² plus B² ist, genau, C², was soll es auch sonst sein?
07:04Wir mähen den Satz von Pythagoras in die weitesten Felder Sibiriens,
07:07sodass die auf dem Mond sehen können, hier unten leben intelligente Lebewesen,
07:11die Mathematik können. Also die Mathematik wäre sicherlich die Art und Weise,
07:15wie wir mit Außerirdischen in irgendeiner Form kommunizieren können.
07:20Also wir würden ihnen entgegenrufen, A² und B² und sie würden sagen C².
07:24Und dann wüssten sie Bescheid, dass sie eben auch den Satz von Pythagoras kennen,
07:28der natürlich bei ihnen anders hieße, der war ja außerirdisch, ist ja klar.
07:32Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass die Mathematik einen so starken,
07:36objektiven Charakter hat, also unabhängig von uns Subjekten auf der Erde
07:40und sogar bei der Kommunikation mit Außerirdischen helfen könnte,
07:42da muss man sich natürlich fragen, wo kommt sie dann her?
07:46Also aus welcher Art von Weltanteil kommt die Mathematik?
07:50Wenn sie nicht nur bei uns ist, sondern überall, da kann man mit dem griechischen Philosophen,
07:56mit dem ersten großen griechischen Philosophen vielleicht argumentieren, mit Platon.
08:01Platon war ein Dualist, er hat zwei Welten erdacht,
08:06nämlich einmal die Welten der Ideen und einmal die Welt der Dinge.
08:09Er hat in seinem berühmten Höhlengleichnis beschrieben,
08:13dass wir als Lebewesen in dieser Wirklichkeit hier der Dinge ja nur die Schatten der Ideen sehen,
08:19sondern dass die wirklichen, die reinen Phänomene, also da, wo überhaupt keine Störungen sind
08:24und nichts unseren Blick auf das Wesen der Gottheit, wie er so schön ausgedrückt hat,
08:29verstellt, das wäre die Welt der reinen Ideen.
08:33Und in diesem Sinne wäre Mathematik dann gewissermaßen der Versuch,
08:35mal unabhängig von allem, was irgendwie störend ist, dem Kern des Seins nahezukommen.
08:41Platon argumentierte, mathematische Konzepte sind so real wie das Universum selbst,
08:46egal ob wir sie kennen oder nicht. Also ganz egal, ob wir da sind oder nicht,
08:51es gibt logische Wahrheiten, die ganz unabhängig davon sind, ob wir existieren oder nicht.
08:57Also zum Beispiel, es gibt keine größte Primenzahl.
09:01Ist das so? Ist die Mathematik so eine reine Idee,
09:05die von dem Dickicht der widerspenstigen Wirklichkeit nur irgendwie verdeckt wird
09:10und vor uns eigentlich sogar verborgen wird?
09:13Ist es die Mathematik, die uns den wirklichen Zugang zur Natur erlaubt?
09:19Einer, der ganz besonders viel davon verstand, was Mathematik in der Natur für eine Rolle spielen kann,
09:25ist Einstein. Mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie
09:28hat er eine mathematisch durchaus komplexe Theorie geschaffen,
09:33die uns an den Rand der erkennbaren Wirklichkeit bringt.
09:36Aber was vor allen Dingen erstaunlich ist, ist, dass in der einsteinischen Feldtheorie von der Gravitation,
09:41das ist die allgemeine Relativitätstheorie, ein Begriff auftaucht,
09:45der zunächst einmal nur rein mathematisch überhaupt zu verstehen ist.
09:49Das ist die Raumzeit. Das ist also praktisch die Konstruktion der drei Raumdimensionen
09:53zusammen mit der Zeitdimension. Das kann man natürlich mit drei Fingern so gar nicht machen,
09:58auch nicht mit fünf, weil das ist nicht mehr anschaulich.
10:01Und das heißt, wir sind hier bei einem ganz wichtigen Instrument unseres Verstandes,
10:06nämlich einem nicht intuitiven Instrument der Mathematik gelandet.
10:10Und bei Einstein endet das Ganze mathematisch in der Raumzeit.
10:14Und die beschreibt er. Er beschreibt sie als etwas, das durch die Anwesenheit von Massen verformt wird,
10:18also nicht mehr eben ist, Euclidescher Raum, ganz flach, sondern der gekrümmt sein kann
10:24durch die Anwesenheit von Massen. Da kommen dann die schwarzen Löcher ins Spiel und viele andere Geschichten.
10:29Aber vor allen Dingen erlauben seine Feldgleichung, die Feldgleichung der allgemeinen Relativitätstheorie,
10:34dass die Raumzeit eine Wellenstruktur tragen kann.
10:38Das heißt, die Raumzeit kann oszillieren und sich im Raum ausbreiten.
10:42Also ein mathematisches Objekt könnte, wenn man es denn irgendwie messen könnte,
10:48in ein reales Objekt übergehen. Man muss sich das mal überlegen.
10:53Das heißt, da schreibt jemand so ein Ding dahin, auf einem Blatt Papier,
10:57alleine nur eine Hirngeburt, also die Geburt seines Verstandes und seiner Vernunft,
11:02und sagt, naja, also wenn das existiert, dann müsste man das auch messen können.
11:06Also es müsste so etwas geben wie Gravitationswellen, ausgelöst zum Beispiel durch zwei Objekte,
11:10die ebenfalls nur die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt, nämlich schwarze Löcher.
11:16Die umeinander kreisen und dabei die Raumzeit dermaßen in Wallung versetzen,
11:21dass diese Gravitationswellen sich durchs Universum bewegen können.
11:24Und wenn man eine nur hinreichend empfindliche Anlage hätte,
11:28dann müsste man diese Gravitationswellenwirkung messen können.
11:32Und was soll ich euch sagen? So ist es passiert.
11:35Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir hier auf der Erde die Signale von zwei verschmelzenden
11:41schwarzen Löchern aus einer Entfernung von 1,6 Milliarden Lichtjahren bei uns aufgenommen haben.
11:48Das ist doch irre. Aus der eben noch rein mathematisch erdachten,
11:53im wahrsten Sinne des Wortes völlig theoretischen Raumzeit,
11:57wird ein wirkliches Medium, dessen Wirkung ich in einem Messinstrument nachweisen kann.
12:03So. Und damit hätten wir praktisch die Frage von Wigner beantwortet,
12:09warum ist die Mathematik so effektiv? Naja, weil sie in der Natur drin ist.
12:14Deswegen sind die Naturwissenschaften so effektiv, wenn sie nur genügend Mathematik benutzen.
12:18Damit wäre die Sache gelaufen. Aber stimmt das?
12:21Der deutsche Mathematiker Leopold Groninger hat im 19. Jahrhundert gesagt,
12:25die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.
12:29Also für ihn war die Mathematik eine reine Erfindung.
12:34Und in der Tat haben auch die Griechen Mathematik jetzt nicht unbedingt als etwas angesehen,
12:39was sich in der Natur findet. Es gab ein paar Inspirationen in der Realität,
12:43aber in Wirklichkeit wurde Mathematik als ein sehr theoretisches Fach jetzt unterrichtet
12:49und es wurde erforscht. Es wurden Dinge erforscht, die innerhalb der Mathematik von Bedeutung waren.
12:55Wie zum Beispiel Zahlentheorie. Wie stehen Zahlen zueinander? Welche Möglichkeiten gibt es,
13:01Zahlen zu manipulieren? Welche Verhältnisse haben Zahlen zueinander?
13:06Bei den reinen Mathematikern geht es um die Frage der Beweisbarkeit und der logischen Wahrheiten.
13:14Und die logische Wahrheit muss keine empirische Wahrheit sein.
13:17Die empirischen Hypothesen müssen an der Erfahrung scheitern können.
13:21Das heißt, die Erfahrung in der Empirie, in den Naturwissenschaften ist immer das Experiment,
13:26die Beobachtung. In der Mathematik reicht die logische Wahrheit völlig aus.
13:31Ein Beweis ist dann wahr, wenn er logisch wahr ist.
13:35Ganz egal, ob man dazu irgendwelche Experimente in der Natur machen kann oder nicht.
13:39Also das heißt, man hat hier ein ganz puristisches Bild von mathematischen Problemen.
13:43So zum Beispiel im 20. Jahrhundert Kurt Gödel.
13:48Kurt Gödel wird berühmt dafür werden, dass er zeigen kann, mit einem mathematischen Beweisverfahren,
13:55dass kein Aussagensystem, ganz egal wie mächtig es auch immer sein mag,
14:01in der Lage ist, alle Annahmen, die es macht, aus sich selbst heraus zu begründen.
14:07Das heißt, es wird mindestens eine Annahme geben,
14:09die das Aussagensystem nicht von sich heraus begründen kann,
14:15wo es eine Zusatzannahme bedarf, ein äußeres Etwas, das diese Annahme begründet.
14:20Aber die Theorie selber wird es nicht schaffen.
14:23Mit anderen Worten, Kurt Gödel hat bewiesen, es gibt keine geschlossenen mathematischen Aussagensysteme.
14:30Man könnte auch sagen, es gibt keine Weltformel.
14:33Mathematik bleibt ein beschränktes, menschliches Unternehmen,
14:35das aber immerhin so groß ist, dass es erklären kann, warum es so beschränkt ist.
14:42Ist das nicht irre? Das hat sich übrigens ursprünglich mal an der Frage entzündet,
14:47wenn ein Friseur der Mann ist, der allen Männern die Haare schneidet,
14:51die sich nicht selber die Haare schneiden, wer schneidet dann dem Friseur die Haare?
14:55Es gibt die mathematischen Naturgesetze.
14:58Das sind meistens Differentialgleichungen, die etwas beschreiben,
15:01dass sich etwas unter dem Einfluss von bestimmten Kräften im Laufe der Zeit entwickelt.
15:07Diese Differentialgleichungen haben den riesengroßen Vorteil,
15:10dass man mit ihnen Vorhersagen generieren kann, also Prognosen.
15:13Und das ist das Allerwichtigste für die Naturwissenschaften,
15:16dass man eben Vorhersagen machen kann, die man messen kann, also quantitativ überprüfen kann.
15:20Und auf diese Weise kann eine mathematisch formulierte physikalische Theorie
15:25mathematisch immer fester gemacht werden, weil wir Daten kriegen.
15:27Also wir kriegen mathematische Objekte, mit denen wir mathematische Theorien in der Physik überprüfen.
15:34Auf den ersten Blick denkt man, da würde ja die Mathematik völlig ausreichen.
15:39Also die Experimente liefern mathematische Objekte, nämlich Daten,
15:43und die können wir innerhalb unserer mathematischen Gesetze doch da formulieren.
15:47Ist denn dann die Wirklichkeit überhaupt noch eine Informationsquelle?
15:51Das klingt zu übertheoretisch. Ja, man muss sagen, das reicht nicht.
15:54Die Gesetze alleine reichen nicht, so wie die Regeln von einem Kartenspiel auch nicht reichen.
15:59Man braucht Karten, und die müssen gemischt werden, und man braucht vor allen Dingen Spielerinnen und Spieler.
16:04Wenn das Spiel nicht gespielt wird, dann kann man gar nicht erkennen, was in den Gesetzen wirklich drinsteht.
16:08Das heißt, die Zwangsbedingungen oder die Randbedingungen, die Bedingungen um das System herum,
16:13das wir mathematisch beschreiben wollen, geben dem System Information,
16:17welche Lösungen, die in den Gleichungen im Prinzip drinstecken, denn nun realisiert werden.
16:22Um bei dem Kartenspiel zu bleiben, nicht die Regeln entscheiden darüber, wie das Spiel verläuft,
16:28sondern welche Karten man auf der Hand hat. Wenn man die falschen Karten hat, dann wird man nicht gewinnen können.
16:32Da hilft einem alles nichts. Das heißt, die Randbedingungen sind der Tatsachenbestand der Wirklichkeit,
16:38der nun bei diesem jeweiligen Phänomen, was wir beschreiben wollen, auf einmal eine große Rolle spielt.
16:44Die Randbedingungen sind aber Kontingent. Die könnten auch anders sein.
16:48Das heißt, wir haben notwendige Naturgesetze, reine Mathematik und die widerspenstige Wirklichkeit,
16:54nämlich das, was vorher in der Welt tatsächlich passiert ist. Und das ist Kontingent.
17:00Diese Mischung aus Notwendigkeit und könnte auch anders sein, das macht unsere Welt so interessant.
17:06Es sind immer die gleichen Regeln, es sind immer die gleichen Bausteine, die zusammengebaut werden
17:10und doch macht es einen riesigen Unterschied, ob der Kohlenstoff in einer Grafitplatte drinsteht
17:14oder in einem Lebewesen. In einem Lebewesen sind nur die Randbedingungen für die Kohlenstoffatome andere.
17:20Sonst nichts. Aber was für einen Unterschied macht es aus? Das bedeutet, die genaue Kenntnis von Randbedingungen,
17:27auch von Anfangsbedingungen, wie alles angefangen hat, ist eine der wesentlichen Bedingungen dafür,
17:32dass wir verstehen können, wie mathematische Operatoren in dieser Welt wirken
17:37und wie unsere Wirklichkeit in die Mathematik wirkt.
17:40Der größte Seinszusammenhang, der uns umgibt, nämlich die Natur, lässt sich alleine mit Mathematik nicht erfassen.
17:46Das reicht nicht aus. Also nur mit rein theoretischen Prinzipien, wie den Naturgesetzen nicht,
17:51das zeigen uns auch die Naturkonstanten, die wir finden, das Planck'sche Wirkungsquantum,
17:56die Lichtgeschwindigkeit, die elektrische Ladung und viele andere Naturkonstanten,
18:01sind alles reelle Zahlen, die einfach nach hinten hin gar nicht aufhören.
18:03Es sind Zahlen, die etwas bedeuten, zusammen mit den Dimensionen, die an ihnen dranhängen,
18:09denn daraus wird aus ihnen eine physikalische Größe. Naturkonstanten, die können wir nicht herleiten,
18:15sondern wir müssen sie messen. Das heißt, wir brauchen die Informationen aus der Wirklichkeit,
18:20um in unseren Theorien dann wieder einen Schritt weiter zu kommen. Bis heute allerdings,
18:25wenn ich das richtig erinnere, gibt es 33 freie Parameter in diesem Universum,
18:29die wir nicht erklären können, sondern für die wir einfach Experimente brauchen.
18:33Und das verweist darauf, dass Mathematik nicht dazu ausreicht, die gesamte Welt zu erklären.
18:38Aber sie ist extrem erfolgreich. Und eine Geschichte muss ich einfach noch erklären,
18:43weil das ist immer wieder überraschend, die Mathematik liefert ja die Möglichkeit,
18:47nicht nur über die Grenzen unserer Anschauung zu gehen, sondern sie kann sich grundsätzlich,
18:55und zwar praktisch nur aus Spaß, kann sie sich die Frage stellen,
18:59was würde denn eigentlich in einer Welt mit N Dimensionen passieren?
19:03N, also N kann irgendeine natürliche Zahl sein, irgendeine, völlig egal. Eine ganz große.
19:10Die Mathematik ist in der Lage, N-Dimensionale Welten zu erklären.
19:14Hier, das könnt ihr bei dem Video mal anschauen. Da haben wir das mal gezeigt.
19:17Es gibt keine stabilen Planetenbahnen für N ungleich 3,
19:21weder für N gleich 2 noch für N größer als 3. Es gibt nur für N gleich 3 stabile Planetenbahnen,
19:26es gibt nur für N gleich 3 stabile Materie.
19:30Manchmal leitet uns die Mathematik, oft leitet uns das Experiment.
19:35Die beiden zusammen machen es möglich für uns, die Natur sehr genau zu beschreiben,
19:39sodass wir inzwischen sogar in der Lage sind, mathematische Prinzipien,
19:43die wir in der Natur entdeckt haben, auf Technologie auszudehnen
19:47und auf diese Art und Weise der Welt noch einen weiteren Bereich mitzuteilen,
19:51deren ontologischen Zustand wir ebenfalls befragen können.
19:53Das heißt, die Mathematik kann einem das Tor aufmachen zu einer ganz neuen Art von Physik.
19:59Aber erklären, final, kann sie sie nicht. Sie kann sogar final erklären,
20:04warum sie sich selbst final nicht erklären kann. Das kann sie.
20:08Was war die Aussagefrage? Mathematik erfunden oder entdeckt?
20:12Sie scheint ja extrem effektiv zu sein in der Beschreibung der Natur.
20:16Und nicht nur in der Beschreibung der Natur, sondern auch bei dem Produzieren von Vorhersagen,
20:19von Prognosen, also über Naturteile, die wir noch gar nicht kennen.
20:24Naturteile, für die wir keine Intuition haben, das Allerkleinste und das Allergrößte.
20:28In der Kosmologie verbinden wir sogar das Allerkleinste mit dem Allergrößten.
20:31Alles nicht-intuitive Vorgänge. Ist die Mathematik jetzt entdeckt oder erfunden?
20:35Ich würde sagen, sie wird entdeckt, während sie erfunden wird,
20:40und sie wird erfunden, während sie entdeckt wird.
20:42Es ist ein Wechselspiel, das sich nicht voneinander trennen lässt.
20:44Ganz ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Ich bin nur froh, dass sie so wunderbar erfolgreich ist.
20:50Also, die nächste Vorlesung dauert ungefähr 90 Minuten, brauche ich dafür.
20:56Also, ihr könnt ruhig zwischendurch mal rausgehen, könnt ein bisschen was essen und so weiter.
21:00Also, das ist mein Thema von meiner Arbeit.
21:03Zum Beispiel, ich sage jetzt mal einen Satz, der wird jetzt gleich rausgestrichen,
21:08aber ich muss das jetzt einfach mal sagen.

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