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In dieser Ausgabe unserer wöchentlichen Talkshow aus Brüssel debattieren die Teilnehmer über den Ausgang der Wahl in Deutschland, die Zunahme terroristischer Gewalttaten und dem Medienkonsumverhalten von Jugendlichen.

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Transkript
00:00Hallo und willkommen zu Brüssel, meine Liebe, unserer wöchentlichen Talkshow aus dem Herzen
00:16Europas. Hier sprechen wir über das Auf und Ab der europäischen Politik. Ich bin Stefan
00:22Grube, seien Sie herzlich gegrüßt. Unsere Themen. Deutschland hat gewählt. Die CDU fühlt
00:29sich als Sieger, kann sich aber nicht restlos freuen. Das Gleiche gilt für die rechtsextreme
00:34AfD, die trotz Spitzenergebnis im politischen Niemandsland bleibt. Die SPD ist am Boden,
00:40muss aber wieder aufstehen, denn die Regierungsarbeit ruft. Wie geht es also weiter in
00:45Berlin und was bedeutet das hier in Brüssel? Und von Deutschland nach Schweden, Österreich,
00:52Frankreich? In letzter Zeit häufen sich die sporadischen terroristischen Anschläge. Die
00:57meist von Einzelgängern verübten Bluttaten führen zu verschärften politischen Auseinandersetzungen.
01:02Hier in Brüssel hält ein Krieg zwischen Drogenbanden die Bevölkerung in Atem. Bekommen
01:08wir amerikanische Zustände auf Europas Straßen? Wie kann die Sicherheit wiederhergestellt werden?
01:13Fragen über Fragen an unsere heutigen Gäste und zwar Klaus Welle, Vorsitzender des Akademischen
01:19Beirats des Wilfried-Martin-Centers und früherer Generalsekretär des Europäischen Parlaments,
01:24Sofia Rossack, Forscherin am Zentrum für europäische Politikstudien und Andrew Watt,
01:29Direktor des Europäischen Gewerkschaftsinstituts ETUI. Nochmals herzlich willkommen. Bevor es
01:38aber hier zur Sache geht, schauen wir noch mal auf die letzten Tage in Berlin.
01:43Das Kanzleramt in Berlin. Manche spötteln, das Gebäude sähe aus wie eine Waschmaschine.
01:54Von hier aus wird Friedrich Merz die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt regieren.
02:00Doch ob es dem Christdemokraten gelingen wird, die Politik der scheidenden rot-grünen Koalition
02:10reinzuwaschen, ist fraglich. Braucht die SPD als Partner die Partei, die Olaf Scholz gerade
02:20in ein Wahldesaster von historischem Ausmaß geführt hat? Merz muss es sich anfühlen wie
02:30eine Heirat mit einem Patienten auf der Intensivstation. Keine idealen Erfolgsvoraussetzungen.
02:35Ein Konsens über die Verteidigung und die Ukraine dürfte leichter zu finden sein als
02:44über Migration und Klima. Kann Deutschland unter diesen Umständen in Brüssel wieder
02:52seine ganze geballte Macht entfalten oder wird sich Berlin im Europäischen Rat hinter
02:57Stimmenthaltungen verstecken? Ja, fangen wir mal an mit dem Brüsseler Veteran hier. Herr Welle,
03:05wie wird die neue Regierung in Brüssel auftreten? Wird sie mit einer Stimme sprechen? Ich glaube
03:11schon. Das Problem der Regierung, die gescheitert ist, war ja, dass sie sich häufig nicht einigen
03:16konnte und deswegen gab es dann den Ausdruck German Vote. Also keine deutsche Beteiligung
03:22weder dafür noch dagegen, sondern Enthaltung. Ich glaube, die Prioritäten zwischen der neuen
03:27Bundesregierung, soweit sie absehbar sind, und der neuen Kommission sind ziemlich identisch. Erste
03:33Priorität Wettbewerbsfähigkeit, zweite Priorität Verteidigung, drittens Migration und auch Begrenzung
03:40illegaler Einwanderung und Grenzschutz. Ich höre auch, dass Ursula von der Leyen und Friedrich Merz
03:47regelmäßig im Kontakt miteinander sind, wöchentlich. Und ich glaube, das ist eine gute Voraussetzung
03:51dafür, dass die deutsche Regierung hier auch Gehör hat. Und Friedrich Merz ist ein Freund
03:56klarer Aussprache. Also er wird deutlich machen, was er möchte. Reicht das, Frau Rusak? Ja, den
04:04German Vote, den gab es ja auch schon unter Merkels Zeit, unter der letzten GroKo. Klar, zwei Parteien
04:10machen es natürlich immer einfacher als drei. Und in der Ampel-Koalition gab es deutlich mehr von
04:16diesem schwierigen Abstimmverhalten. Aber ich glaube, das ist nicht unbedingt gelöst mit zwei
04:21Partnern, weil gerade wenn es um Europapolitik geht, dann haben die beiden natürlich auch verschiedene
04:25Ansichten. Also Herr Merz kündigt das so selbstbewusst an, dass Deutschland wieder mit
04:30einer Stimme sprechen wird. Aber ich denke, das bleibt abzuwarten. Wie ist denn das Gewicht der
04:33Sozialdemokraten, Herr Wodt? Nun, sie haben eine historische Niederlage erfahren, die Sozialdemokratie
04:41in Deutschland. Allerdings war es das zweitschlimmste Ergebnis auch für die CDU und CSU in der
04:47Geschichte. Das heißt, es ist eigentlich Ausdruck einer Fragmentierung der deutschen Politik. In der
04:53Vergangenheit war es ja auch so, dass etwa CDU, FDP-Regierung mit einem kleinen FDP, aber die
04:58FDP war ja notwendig für die Koalition. Ich war und hier ist die SPD auch notwendig. Das heißt,
05:04dieses ungefähr Zweidrittel, Eindrittel, das Verhältnis in den Stimmanteilen, das wird sich,
05:11glaube ich, in der Politik so nicht widerspiegeln. Wo gibt es denn am am ersten Konsens? Wir haben
05:16es im Einspieler gerade gehört. Also wahrscheinlich Sicherheit, Ukraine, Verteidigung. Also ich würde
05:22einen Fokus auch auf die Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik legen. Ich war in Deutschland
05:27stagniert seit zwei Jahren. Das hat Auswirkungen auch auf die europäische Wirtschaft und die
05:33Wirtschaftspolitik. Das erfordert zu Recht ein Augenmerk auf die Wettbewerbsfähigkeit. Das sehe
05:40ich genauso. Aber erfreulich sehe ich, also mit Freude sehe ich, dass es anscheinend nun
05:48einen Konsens gibt in Deutschland, die Schuldenbremse zu reformieren. Und auch Friedrich Merz hat das
05:54auch angekündigt und das ist dringend notwendig. Herr Welle hat es gerade schon gesagt. Merz und
06:01Ursula von der Leyen verstehen sich prächtig. Ist das auch Ihr Eindruck? In Brüssel ist ja so,
06:07dass gerade der Green Deal unter Beschuss steht. Von der Leyen versucht so gegenzusteuern. Und
06:17jetzt kommt Merz hierhin. Wie ist das persönliche Verhältnis? Also das persönliche Verhältnis,
06:21da müssen wir abwarten. Da können wir jetzt noch nicht viel zu sagen. Es gibt natürlich die
06:26gemeinsame Parteilinie. Und ich denke, dass das grundsätzlich von Vorteil ist, dass die
06:31Kommissionspräsidentin und dann der deutsche Kanzler die gleiche Partei haben, welche auch
06:35immer das ist. Aber ich denke, dass man da schon versuchen sollte, eine stärkere und eine bessere
06:41Koordinierung zwischen Berlin und Brüssel herzustellen. Ja auch im Hinblick darauf,
06:46dass Manfred Weber im Europäischen Parlament dort die stärkste Fraktion der EVP anführt. Also
06:52ich könnte mir schon vorstellen oder würde mir wünschen, dass es da eine bessere Koordinierung
06:57zwischen Brüssel und Berlin ganz allgemein gibt. So ganz schlecht war das Verhältnis zwischen von
07:03der Leyen und Scholz nicht. Ich glaube, das Verhältnis war nicht schlecht. Im Gegenteil,
07:07ich meine, er hat sie auch vorgeschlagen für die Wiederwahl. Das ist ja auch bemerkenswert,
07:13wenn eine Regierung eine Kandidatin vorschlägt, die nicht der eigenen Partei angehört. Aber ich
07:18glaube, was jetzt anders sein wird, ist, dass die strategischen Prioritäten identisch sind. Und wenn
07:23ich sage identisch, ich meine wirklich identisch. Ich glaube vor allen Dingen im Bereich der
07:27Verteidigung werden wir sehr schnell Ergebnisse sehen müssen und auch sehen. Es gibt ja den
07:31Sondergipfel am 6. März. Deutschland macht vielleicht wieder ein Sonderbudget Verteidigung.
07:37Ich könnte mir das gut vorstellen. Wir reden ja über 200 Milliarden. Wir brauchen auch erhebliche
07:43Anstrengungen auf der europäischen Ebene. Und zwischen Herrn Pistorius, dem Verteidigungsminister
07:47und der CDU, CSU gibt es keinen Unterschied in dieser Frage. Jedenfalls keinen. Kommen wir nochmal
07:52auf Deutschland, auf das Wahlergebnis zu sprechen. Da hat es ja ein erstaunliches West-Ost-Gefälle
07:59gegeben. Wir haben eine Karte mit den Erststimmen-Ergebnissen. Sie kennen sie alle. Da sehen
08:04wir nämlich diese alte, so als hätten wir eine Karte hier von 1988 oder so. Also die CDU gewinnt
08:11flächendeckend in Westdeutschland. Die SPD so in den traditionellen Hochbogen relativ stark. Dann
08:17aber Ostdeutschland. Alles blau, alles AfD mit Ausnahme von Berlin. Und da gibt es so zwei so
08:23lila Punkte. Leipzig, der eine, die andere, die andere weiß ich nicht, aber die Linke hat da
08:29die erste, das direkt mal dargeholt. Wenn wir uns die Karte anschauen, was sagt uns das? Ist die AfD
08:37heute die Partei der Ostdeutschen, der Entrechteten, der zu kurz Gekommenen, der Arbeitslosen etc. Ist
08:47das in einem Bild gefasst? Ist das so der Fall? Also ich würde das nicht überbetonen. Gerade
08:52diese Regionalunterschiede, nicht wahr? Also wenn man, wenn man die Karte anders zeichnen würde,
08:59mit Pastellfarben, nicht wahr? Anscheinend der Stimmanteil, dann würde man aussehen, dass auch
09:05in Westdeutschland natürlich auch viele Leute die AfD gewählt haben. Andere in Ostdeutschland, die Parteien weniger,
09:11schon. Aber ich würde das nicht als ostdeutsches Phänomen bezeichnen. Ich glaube unter anderem
09:17auch, weil wir ein ähnliches Phänomen auch in anderen Ländern, in Frankreich, in den USA, wenn
09:23man so will, mit Trump sehen. Und das ist für mich schon Ausdruck einer großen sozialen und ökonomischen
09:29Unsicherheit in manchen Teilen der Bevölkerung. Und die druckt sich halt so aus. Und den muss
09:37die neue Regierung auch angehen. Also nicht nur die soziale Frage, wenn man so will. Zieht Ostdeutschland das
09:44Land nach rechts? Naja, die AfD ist vor allen Dingen eine Partei, die gewählt wird von Leuten, glaube ich,
09:51die Angst vor dem sozialen Abstieg haben. Sie ist nicht unbedingt eine Partei für die Ärmsten,
09:56sondern die, die Angst haben abzurutschen. Aber das Witzige daran ist ja, oder das Paradoxe, wenn man sich das
10:01Wahlprogramm anschaut, dann machen die ja Politik für Reiche. Also da geht es um Steuerentlastung für die
10:05Superreichen. Deswegen, sie grillt sich immer so als eine Partei für die kleinen Leute. Aber das ist sie gar nicht.
10:12Herr Welle, für die CDU müssen da ja alle Alarmglocken klingen, wenn die AfD die CDU überall überholt hat in
10:21Ostdeutschland, in einigen Bundesstaaten, näher an der 40-Prozent-Marke ist als an der 20-Prozent-Marke.
10:33Die anderen Parteien spielen praktisch gar keine Rolle mehr. Die CDU kommt so langsam auf dieses Niveau.
10:40Wie kann man da noch eine nationale Politik machen?
10:46Also die CDU ist mit Abstand nach wie vor die größte Partei. Und Rechtspopulismus ist nicht nur eine
10:52Herausforderung für die CDU. Wenn man sich die Wähler anschaut, viele kommen von den Nichtwählern, viele
10:58kommen von den Sozialdemokraten. Rechtspopulistische Parteien überall in Europa sind die neuen
11:03Arbeiterparteien. Wenn wir das uns statistisch anschauen, überrepräsentiert bei Arbeitslosen,
11:10überrepräsentiert bei Arbeitern, überrepräsentiert bei denen, die unterdurchschnittlich verdienen,
11:15überrepräsentiert bei denen, die unterdurchschnittliche Ausbildung haben. Das heißt, wir haben hier eine
11:21neue soziale Frage, die bisher nicht ausreichend adressiert ist. Und das gilt nicht nur für
11:27Sozialleistungen, sondern ich glaube auch, dass die Migration letztlich hier als soziale Frage wahrgenommen
11:34wird. Nämlich als Wettbewerb um Wohnraum, als Wettbewerb um staatliche Leistungen. Und ich glaube, da
11:40sind auch in den letzten Jahren viele Bürgermeister in den Kommunen alleine gelassen worden, die auch
11:46gesagt haben, quer durch alle Parteien, Sozialdemokraten, Grüne, Christdemokraten, wir können es nicht
11:50mehr leisten. Und sie konnten es nicht leisten. Und das geht dann zulasten derjenigen, die sich am
11:56wenigsten wehren können.
11:58Herr Bort, ich muss Sie das fragen mit Blick auf die SPD. Die SPD ist böse abgestraft worden, das Schlechte ist
12:04seit 1890 in Deutschland. Vor allem bei der Arbeiterschaft. Wie ist das zu erklären? Denn was ist mit den
12:16Ideen, die die SPD vertritt? Arbeitnehmerfreundliche Politik, Familienpolitik etc. Das sind ja nicht Themen,
12:26die plötzlich nicht mehr relevant sind.
12:28Nein, richtig. Also einerseits ist es tatsächlich ein europaweites Phänomen, wie Sie auch gesagt haben.
12:34Die rechten Parteien sind teilweise Arbeiterparteien und die sozialdemokratischen Parteien Parteien der
12:40Professoren und Juristen und Juristinnen geworden, um das ein bisschen auf den Punkt zu bringen. Das stimmt
12:44auch. Und daher muss auch in der Regierung die SPD das Angebot sozusagen an die normal Arbeitenden, die
12:53sogenannten kleinen Leute, nicht wahr, Bevölkerung auch erneuern. Und deswegen, denke ich, wird die soziale
12:58Frage schon zentral sein. Und bei allen Sorgen um Wettbewerbsfähigkeit und so, muss das in der Regierung
13:05auch irgendwie austariert sein, dass das auch gewährleistet ist. Ja, weil sonst werden wir tatsächlich bei
13:10der nächsten Wahl wirklich vielleicht die AfD als nächste Partei haben.
13:16Die SPD-Themen sind immer noch sehr relevant, aber die AfD schafft es tatsächlich vor allen Dingen im Osten
13:23der SPD, diese Themen wegzunehmen. Wo wir sehen, dass viele Arbeiter und Kleinverdiener die AfD und nicht die
13:29SPD wollen, weil sie nicht das Gefühl haben, dass diese Themen gut aufgehoben werden.
13:33Man hat natürlich auch quasi die Sondersituation. Man hat in den letzten Jahren ein Zusammenspiel zwischen
13:37hoher Inflation, die die unteren Schichten auch besonders belastet haben, wegen des anderen Haushaltsbudgets
13:44und die Einwanderung. Und das hat natürlich auch zu, ähnlich wie Sie gesagt haben, zu großen Verwerfungen
13:52und auch Verschiebungen in der Wahrnehmung das, was bedruckt mich. Sind es wirklich die Preise oder sind es
13:58doch die Einwanderungen, die kommen und mehr was wegnehmen wollen? Und das ist wirklich ein Problem.
14:02Herr Wendt, die AfD war ein Gewinner der Wahl. Ein anderer war die Linke. Relativ überraschend.
14:08Ich meine, er spielt keine Rolle bei der Regierungsbildung, aber mit knapp zehn Prozent im Bundestag war er überraschend.
14:14Sie sitzen zwar wieder nur in der Opposition, aber haben stark abgeschnitten. Wir haben uns mal unterhalten
14:24mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ates Gürpinar. Wir wollten wissen, welche Erklärung er denn für den
14:31Rechtsruck im Land hat. Hören Sie mal rein.
14:35Also wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder aus der sogenannten Mitte heraus den Kampf gesehen
14:45gegen die, die eigentlich am wenigsten haben, Geflüchtete, Bürgergeldempfängerinnen, Bürgergeldempfänger.
14:50Und das ist was, was die AfD aufgegriffen hat. Im Osten findet es vielleicht noch ein bisschen mehr Gehör,
14:57weil dort die Zustände noch ein bisschen schlechter sind. Den Menschen geht es dort insgesamt schlechter.
15:02Die sind ärmer und manche von ihnen suchen dann nicht den Blick nach oben, sondern schauen eben mit nach unten
15:10und folgen damit dem, was die AfD, aber auch Teil der Mitte in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer mehr behauptet haben.
15:17Ja, Herr Welle, mir drängt sich da die Frage auf, was ist die Kernkompetenz der AfD?
15:24Der AfD? Polarisieren. Die Kernkompetenz der AfD ist Polarisieren. Aber auch, sie hat es genutzt, dass die SPD in diesen Wettbewerb geraten ist
15:38mit den Grünen und die Grünen repräsentieren die obere Mittelklasse, vor allen Dingen Akademiker.
15:43Wenn man sich Zahlen anschaut, der Anteil der Akademiker bei den Grünen verglichen mit Sozialdemokraten oder Christdemokraten
15:50ist ungefähr fünfmal so hoch. Das heißt, die Grünen sind im Prinzip die Partei der oberen Mittelklasse geworden.
15:56Und diese neue kulturelle Elite wollten auch die Sozialdemokraten vertreten, aber das Wertesystem der Arbeiter ist ein anderes.
16:05Das Wertesystem der Arbeiter ist viel traditioneller, manchmal auch autoritärer, könnte man sagen.
16:11Und da öffnet sich eine Lücke für die AfD.
16:15Sie sind sehr gut darin, Frust aufzugreifen in der Gesellschaft und dann einen Politikwechsel zu fordern, für den Sie ja gar nicht arbeiten müssen.
16:25Sie sind ja jetzt gerade in einer sehr komfortablen Situation, dass Sie ein Programm aufstellen konnten, von dem Sie ganz genau wussten,
16:31Sie müssen es nicht einlösen. Warum? Weil Sie werden jetzt noch nicht reagieren.
16:35Und da kann man natürlich große Klappe haben und sehr, sehr viel fordern. Darin sind Sie dann sehr stark.
16:42Ich gebe nur hinzu, was Sie gesagt haben vorhin zur AfD, dass Sie tatsächlich eine Politik für die Reichen machen.
16:48Das gilt auch für andere rechtsgerichteten Parteien. Im Europaparlament sieht man es im Abstimmungsverhalten auch.
16:54Wird denn die AfD wieder verschwinden, wenn also alle reich geworden sind und die Wirtschaft wieder floriert und so weiter?
16:59Oder wird das eine langfristige, permanente Erscheinung sein unseres Parteis?
17:04Ja, ich glaube schon, dass man mit guter Politik den Wind aus den Segeln nimmt von dieser Partei.
17:10Auch da gibt es Studien dazu, dass das Vertrauen der Leute in die Demokratie, in die Institutionen, in die staatlichen Institutionen,
17:20auch mit der Wahrnehmung ihrer Realität am Arbeitsplatz etwas zu tun hat.
17:26Und wenn man eine Demokratie am Arbeitsplatz, also mit gewerkschaftlicher Repräsentanz, mit Betriebsräten und so,
17:33dann stärkt das auch das Vertrauen in die staatlichen Institutionen.
17:37Und da haben die AfD Schwierige sozusagen mit ihren Argumenten zu politisieren.
17:41Also ich denke, runterdrücken, ja, mit gutem Regieren auf zehn Prozent wieder runterdrücken, ja, aber sie wird nicht mehr verschwinden.
17:47Also das ist ausgeschlossen. Die AfD ist fest im Parteiensystem der Bundesrepublik verankert.
17:52Wir sehen das auch in anderen Ländern. Also wir sehen das ja hier im Brüsseler Europaparlament auch.
17:56Es gibt, glaube ich, nur in drei EU-Mitgliedstaaten keine Rechtsaußenparteien in nationalen Parlamenten.
18:03Und in neuen Regierungen sind die mittlerweile beteiligt.
18:07Also der Trend geht in andere Richtungen. Der Trend geht nicht in verschwinden.
18:10Keiner von Ihnen hat bisher die Worte Alice Weidel gesagt.
18:14Ich bringe das jetzt mal auf den Tisch. Wir haben einen kleinen Quote von Alice Weidel,
18:22die sich zur Koalitionsaussage geäußert, die eine Koalitionsaussage gemacht hat, die natürlich nirgendwo hinführt.
18:29Aber hören wir mal.
18:31Wir haben uns verdoppelt. Man wollte uns halbieren. Das Gegenteil ist eingetreten.
18:38Und ich muss eins sagen, unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung,
18:47den Willen des Volkes, den Willen Deutschlands umzusetzen.
18:53Wir sind bereit für eine Regierungsbeteiligung.
18:56Ist ja ein bisschen vermessen, mit 20 Prozent im Rücken zu sagen, wir repräsentieren das Volk.
19:02Herr Welle, was halten Sie davon?
19:05Nichts.
19:07Wird die Partei auf lange Sicht von der Macht fernzuhalten sein?
19:11Der Punkt ist einfach. Das ist eine Partei, die die Interessen vielleicht nicht des deutschen Volkes vertritt,
19:18sondern von Wladimir Putin.
19:20Wir haben in den letzten Wochen auch hören können, dass sie monatlich, ich weiß nicht, ob es stimmt,
19:24es waren Informationen offensichtlich aus der AfD, dass sie monatlich den chinesischen Botschafter getroffen hat.
19:29Das heißt, sie vertritt eine Politik, die mit der Verteidigung einer freiheitlichen Demokratie nicht vereinbar ist.
19:35Und solange das so ist, kann sie auch kein Partner für demokratische Parteien sein.
19:40Ja, aber wenn sie in 2029 die stärkste Kraft werden, dann wird es immer schwieriger.
19:46Solange die Solidarität gilt zwischen den Demokraten, glaube ich,
19:50haben sie mit stärkster Kraft immer noch keinen Regierungsanspruch.
19:53Wir hatten so eine Erfahrung in Italien.
19:57Über Jahrzehnte war die kommunistische Partei Italiens stärkste Kraft.
20:01Aber es gab einen Konsens der demokratischen Kräfte,
20:04dass die italienischen Kommunisten in Italien nicht regieren können.
20:09Und deswegen ist es eine Frage an die Entschlossenheit der Demokraten,
20:13solange sie letztlich im Bündnis sind mit Autoritären außerhalb unseres eigenen Landes,
20:18eine Regierungsbeteiligung zu verhindern.
20:20Nun sind ja die kommunistischen Parteien in Westeuropa ja alle verschwunden,
20:24mehr oder weniger wie auch der Kommunismus insgesamt verschwunden ist.
20:27Aber bei der AfD ist das ja, der Trend geht ja nach oben.
20:30Ich will mal einen Punkt einbringen.
20:32Diese Woche haben sich ja die Fraktionen neu gebildet.
20:34Bei der AfD sind Leute dabei, gegen die droht ein Parteiausschlussverfahren.
20:39Da sind also Leute am Rande der, wie soll ich sagen,
20:46Ärger mit der Justiz immer wieder mal.
20:49Insgesamt kann man sagen, die Personaldecke der AfD ist dünn, sehr dünn, Herr Watt.
20:55Wie wirkt sich das aus in der politischen Arbeit langfristig?
20:59Oh, das kann ich nicht gut beurteilen, ehrlich gesagt.
21:03Ich kenne die Personalien der Partei nicht gut.
21:06Ich denke, viel hängt davon wirklich von dem Erfolg der Regierungspolitik ab.
21:11Eventuell auch sogar, würde ich sagen, was in den USA passiert.
21:14Wir sehen da, dass die ähnliche Politikvorschläge entwickelt,
21:20die sind jetzt in der Macht in den USA.
21:23Und ich denke, das wird auch in die Binsen gehen.
21:26Und dass die Leute auch, die amerikanischen Wähler, die sie gewählt haben,
21:30die ähnlich strukturiert sind, ähnliche Ansichten haben,
21:33wie die, die in Deutschland die AfD wählen.
21:35Da warten wir mal ab.
21:37Danke für diese erste Runde, Ihnen allen.
21:40Wir machen jetzt eine kleine Pause und danach Terror auf Europas Straßen
21:44und auf Regierungsetagen.
21:46Was ist gegen Anschläge von Einzeltätern zu tun?
21:49Bis gleich, bleiben Sie dran.
21:53Bekommt zurück zu Brüssel, meine Liebe.
22:01Unsere Gäste sind immer noch Sofia Rusak, Andrew Watt und Klaus Welle.
22:06Magdeburg, Aschaffenburg, München.
22:09In diesen Städten fanden in den vergangenen Monaten Terroranschläge auf Menschen statt,
22:13die sich zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort befanden.
22:17Die Einzeltäter waren Ausländer.
22:19Gewaltakte dieser Art fanden zugleich auch in anderen Ländern statt.
22:22Sie sind also ein europäisches Phänomen.
22:25Aus dem öffentlichen Entsetzen wird dann schnell politische Munition
22:29gegen die betroffenen Behörden und Regierungen.
22:32Munition, die rechtsextreme Parteien einsetzen.
22:35Es folgt dann der laute Ruf nach einer harten Hand gegen Einwanderer.
22:39Aber wie dienlich sind solche reflexartigen Anti-Asyl- und Anti-Einwanderer-Maßnahmen
22:45in der Sache, Frau Rusak?
22:47Naja, viele davon sind halt sehr umstritten.
22:50Ob sie A, umsetzbar sind, ob sie konform sind zum Beispiel mit EU-Recht
22:54und ob sie dann auch wirkungsvoll sind.
22:56Und ich finde, grundsätzlich ist das immer schwierig,
22:59wenn man nach solchen Aktionen, wenn man sie fordert,
23:02aber sie dann nicht einhalten kann oder sie auch einfach dann nicht erfolgreich sind
23:05und die Leute dann am Ende noch viel enttäuschter sind als vorher.
23:08Also da muss man vorsichtig mit der Rhetorik sein.
23:11Aber in der Sache, bringen diese Einwanderungsmaßnahmen
23:14irgendetwas, um die Einzeltaten von Islamisten oder anderen wirklich auszuschalten?
23:22Ich glaube, es gibt zwei unterschiedliche Sachverhalte.
23:26Das erste ist, einige waren ja ausreisepflichtig und bekannt
23:31und deren Ausreise ist nicht veranlasst worden.
23:34Und wenn ausreisepflichtige Straftäter nicht ausgewiesen werden,
23:39dann leidet das Vertrauen in den demokratischen Staat.
23:42Das zweite ist, dass dahinter natürlich auch politische Konflikte häufig stehen,
23:46insbesondere aktuell Israel, Palästina, Gaza.
23:51Das braucht eine langfristige Lösung, aber die ist nicht absehbar.
23:54Aber wenn wir für Migration Unterstützung haben wollen in der Bevölkerung,
23:58dann müssen diejenigen, die ihr Aufenthaltsrecht verwirkt haben,
24:02müssen auch konsequent ausgewiesen werden.
24:04Das heißt, schon mit dem Erlass des Urteils im Gerichtshof müssen sie in Auslieferungshaft.
24:10Gibt es einen tieferen Grund für diese Art von Gewalt?
24:14Ist das politisch motiviert, religiös motiviert?
24:17Sind das möglicherweise persönliche Gründe?
24:20Sie hatten schon zu Recht gesagt, wir reden hier von Einzeltäten.
24:24Ich glaube, es gibt keine Fälle von organisiertem Terrorismus,
24:29islamistischem Terrorismus in dem Sinne.
24:31Und daher glaube ich, sollte man wirklich, sollte die Politik versuchen,
24:35wirklich die Temperatur wieder abzusenken.
24:38Da hoffe ich schon, dass der Bundeskanzler Friedrich Merz anders agiert
24:43als der Oppositionsführer Friedrich Merz.
24:45Weil ich glaube schon, dass er im Versuch, Wähler von der AfD zurückzuholen
24:51und die zu binden, dass er diese schlimmen Taten, nicht wahr,
24:55aber schon in einer Art und Weise hochgespielt hat, die nicht dienlich war.
25:00Man kann das nicht alles in einen Topf werfen.
25:02Aber was klar ist, ist, dass die AfD das, wie auch berichtet,
25:05nutzt, um alle anderen vor sich herzutreiben.
25:07Und wir haben das ja im Wahlkampf gesehen, nach Aschaffenburg,
25:10wie stark Migration den Wahlkampf beeinflusst hat als Thema.
25:13Und ich meine, wir haben noch viel größere Probleme.
25:16Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, alles kam viel zu kurz im Wahlkampf.
25:21Da war die AfD also sehr, sehr erfolgreich, ihr Thema durchzudrücken.
25:25Und dann ja auch das Thema Migration ist ja auch noch viel größer
25:29als nur straffällige Asylbewerber.
25:33Aber die ganze Debatte, die wurde so sehr reduziert auf ein Teilproblem.
25:37Verlieren wir so ein bisschen aus dem Auge,
25:39dass der Islamismus nach wie vor eine Gefahr darstellt.
25:43Ich meine, wenn jemand eines Morgens aufwacht und sagt,
25:46heute fahre ich mein Auto in einer Menschenmenge vor dem Weihnachtsmarkt.
25:49Wie kann man sich dagegen schützen?
25:51Aber der ideologische Unterbau, diese Unterfütterung gegen das demokratische Wertesystem
25:58ist ja offenbar da bei vielen Leuten.
26:01Wie gehen wir damit um?
26:03Und der Wahlkampf hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigt,
26:06mit Islamismus, sondern eher so diffus, Einwanderer etc.
26:11Ja, vielleicht lassen Sie mich zunächst noch sagen,
26:14die AfD war ja in den Umfragen auch schon bei 22, 23 Prozent.
26:19Sie ist bei 20 Prozent gelandet.
26:21Und ich glaube, ohne das entschlossene Engagement von Friedrich Merz
26:24hätten es auch 24 oder 25 Prozent sein können.
26:27Also da wäre meine Einschätzung ein bisschen anders.
26:30Na gut, aber sie war ja auch bei 16 Prozent letzten Sommer.
26:33Ich rede jetzt über die letzten Wochen.
26:36Sie war bis auf 22, 23 Prozent und die entschlossene Haltung von Friedrich Merz
26:41hat sich dann am Ende auf 20 Prozent reduziert.
26:43Also wenn in diesen Themen die demokratischen Parteien keine Antworten mehr haben,
26:50dann werden sie eben den undemokratischen Parteien...
26:52Sie haben nach der Gefahr durch den Islamismus gefragt, wenn Sie erlauben.
26:57Sie haben da so ein bisschen umgangen.
26:58Deswegen bringen wir mal den belgischen Sicherheitsexperten Claude Moniquet ins Spiel,
27:03einem früheren Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes.
27:05Wir haben ihn gefragt, wie ist diese Gefahr des Islamismus?
27:08Das hat er gesagt.
27:11Die Sicherheitsmaßnahmen in Europa wurden 2014 nach dem Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel
27:17und 2017 nach Anschlägen in Spanien erheblich verstärkt.
27:21Parallel endete die territoriale Kontrolle des Islamischen Staates in Syrien und im Irak.
27:26Heute erleben wir die Rückkehr einer Bedrohung, die es schon immer gegeben hat.
27:30Sie ist in etwa auf demselben Niveau geblieben, obwohl sie sich mit Covid wahrscheinlich verschlimmert hat.
27:35Damals hielt die Pandemie viele junge Menschen von der Schule und sozialen Kontakten fern.
27:39Sie verbrachten ihre Zeit nur in virtuellen Räumen,
27:42was dazu führte, dass einige von ihnen online radikalisiert wurden.
27:46Dafür zahlen wir heute den Preis.
27:48Zwei Länder sind nach wie vor stark im Visier der Islamisten, nämlich Frankreich und Deutschland.
27:56Ja, Herbert, also diese Gefahr, die immer noch da ist, müsste uns ja ein bisschen besorgt machen.
28:00Es gibt in Deutschland laut Verfassungsschutz etwa 28.000 Hardcore-Islamisten.
28:06Wie kann man die sozusagen überwachen oder geht wahrscheinlich nicht?
28:10Ja, mit sicherheitspolitischen Maßnahmen sicherlich.
28:15Aber ich denke schon, Sie haben vorhin Gase und so angesprochen.
28:19Ich glaube schon, dass man versuchen muss, da an der Quelle des Frustes der Leute anzusetzen,
28:24ohne die schlimmen Taten im Geringsten da irgendwie rechtfertigen zu wollen.
28:28Aber da ist natürlich eine Empörung da über das, was in Gase jetzt seit einem Jahr passiert,
28:33dass man zumindest berücksichtigen muss.
28:38Und man muss vorsichtig sein bei dieser Sensationalisierung.
28:44Ich meine, ich habe die Mordstatistiken hier nicht vor Augen,
28:48aber die sind sicherlich nicht überwiegend von diesen Islamisten verübt in Deutschland.
28:52Das ist immer noch so im heimischen Kontext.
28:56Es ist die Frage, was in den Medien kommt.
28:58Ich denke, die Medien haben da auch eine große Verantwortung, wie sie über diese Vorfälle berichten.
29:03Ja, es gibt weiterhin mehrere islamistische Gruppierungen und Gruppen,
29:08die ein Interesse daran haben, westliche Gesellschaften zu destabilisieren,
29:12Chaos hier zu stiften und die eben dann online, wie auch berichtet,
29:16Tätern helfen, sich zu radikalisieren am Internet.
29:19Und das ist etwas, was in der Tat jetzt wieder schlimmer wird und auch wieder mehr diskutiert wird.
29:24Zum Internet kommen wir gleich noch.
29:27Soweit erstmal zur terroristischen Gewalt.
29:30Das Neueste dazu wie immer in unseren Nachrichten und auf unserer Website.
29:34Vielen Dank einstweilen an unsere Gäste und an unsere Zuschauer.
29:38Bleiben Sie bei euren News.
29:47Willkommen zu Brüssel, meine Liebe.
29:49Ich bin Stefan Grobe.
29:50Meine Gäste sind Andrew Watt vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut,
29:53Klaus Welle vom Wilfried-Martin-Center und Sofia Roussak vom Zentrum für Europäische Studien.
29:58Was viele von uns schon immer vermutet hatten, wurde jetzt Gewissheit.
30:02Europas Jugend erhält Nachrichten nicht in den entsprechenden traditionellen Newsmedien,
30:07so auch eure News, sondern in den sogenannten sozialen Netzen.
30:11Laut einer offiziellen EU-Studie sind es erstaunliche 42 Prozent der 16- bis 30-Jährigen, die dies tun.
30:18Jeder zweite Teenager vertraut demnach vor allem TikTok und Instagram.
30:23Und 15 Prozent der Jugendlichen gaben an, nicht an der Europawahl im vorigen Jahr teilgenommen zu haben,
30:28weil sie keine Informationen darüber gehabt hätten.
30:32Da konnte man jetzt viel zu sagen, vor allem über die Eltern.
30:35Aber zunächst einmal die Frage, überraschen Sie diese Zahlen dann doch, Herr Welle?
30:40Nicht wirklich. Eigentlich ist es ja bekannt.
30:43Und man selber hat ja auch seine Verhaltensgewohnheiten ein bisschen geändert.
30:48Ich glaube, das Kernproblem ist, vor 40 Jahren war vielleicht Deutschland noch abends um 8 Uhr um die Tagesschau versammelt.
30:55Und das heißt, man hatte einen gemeinsamen Referenzrahmen.
30:58Dann konnte man das schlecht finden oder gut, schlimm finden, aber man hatte einen gemeinsamen Referenzrahmen.
31:03Und jetzt fällt die Gesellschaft zunehmend auseinander.
31:06Sie fällt politisch auseinander, sie fällt aber auch kulturell auseinander in Konzepte, die immer gegensätzlicher werden.
31:13Frau Rosack, Sie sind hier wahrscheinlich altersmäßig am nächsten zu der angesprochenen Gruppe hier am Tisch.
31:19Ich gucke trotzdem die Tagesschau.
31:22Was ziehen Sie da für eine Konsequenz?
31:25Also ich denke, es ist ja nicht nur schlecht.
31:28Ich denke, man kann mehr Vielfalt damit auch abbilden, weil Stimmen auch gehört werden,
31:33die in den klassischen Medien vielleicht nicht abgedeckt werden.
31:36Und ich meine, wir sehen so Beispiele wie Heidi Reichennecke, die ja nicht nur im Bundestagswahlkampf...
31:44Die Kandidatin der Linken.
31:45Die Kandidatin der Linken, genau.
31:46Die hat ja quasi nicht nur ihre Partei gerettet mit ihrem Social Media Auftritt,
31:51sondern uns allen auch gezeigt, dass die sozialen Medien nicht rechts außen gehören.
31:56Also da sieht man, wie wirkmächtig das Ganze ist und dass man eben auch Menschen erreichen kann, die man ansonsten nicht erreicht.
32:03Das ist ja nicht Tagesschau oder Social Media, sondern oft Social Media oder nichts.
32:07Und das ist der Vortrag, finde ich.
32:09Das ist das Problem.
32:10Ja, das Problem daran ist natürlich, dass wir wissen, dass die Algorithmen nicht fair sind
32:14und die sind die bevorzugen solche Beiträge, die viel auf Emotionen setzen, auf Personalisierung.
32:20Naja, und im besten Fall führt das zu oberflächlicher Information.
32:24Im schlimmsten Fall führt das zu Falschinformation.
32:27Und da ist dann das Problem.
32:29Bevor ich zu Ihnen komme, wir wollen mal jetzt hören, was junge Leute tatsächlich dazu sagen.
32:36Wir haben uns in Köln einmal umgehört.
32:38Das ist dabei herausgekommen.
32:42Ich schaue Videos von den Nachrichten auf TikTok.
32:46Ich habe die verschiedenen Accounts von Zeitungen wie Le Monde, Le Canard Enchaîné und so weiter.
32:54Für Aktuelles nutze ich vor allem Instagram und YouTube.
32:59Jetzt ist alles digital.
33:00Also schaue ich mir zum Beispiel die Politico App oder den Economist und den Newsletter der Financial Times an.
33:07Twitter, was jetzt X heißt.
33:09Normalerweise verfolge ich dort die verschiedenen Zeitungen, denen ich vertraue oder die ich mag.
33:16Ich benutze Instagram sehr oft.
33:17Das kann aber wegen des Algorithmus ein bisschen voreingenommen sein.
33:22Fernsehen schaue ich kaum.
33:23Also gehe ich durch mein Telefon und gucke die ganze Zeit TikTok oder Instagram.
33:29Sprechen alle perfekt Englisch.
33:32Waren aber nicht alle aus Deutschland.
33:34Aber es sind doch vielschichtige Meinungen darunter.
33:38Ich denke, darin sieht man auch, dass es nicht nur eine Frage der unterschiedlichen Generationen sind.
33:44Ich nutze auch Social Media.
33:46Allerdings nicht TikTok und Instagram, sondern früher Twitter X und dann Blue Sky.
33:52Und da möchte ich ganz gerne daran sitzen.
33:55Weil ich glaube, das muss man auch sehen.
33:57Bei all den Fragen der Fragmentierung und Desinformation, das ist alles schlimm genug.
34:01Aber man muss einfach sehen, dass der reichste Mann der Welt, Musk, Twitter übernommen hat,
34:08das in X umgewandelt hat und das klar instrumentalisiert, um in seinem Fall wirklich auch extreme Politik zu betreiben.
34:19Da müssen die Alarmglocken gehen.
34:21Und da muss Europa reagieren mit Digital Services Act und so, wie das auf Deutsch heißt, mit Maßnahmen da eingreifen.
34:32Genau, also wir haben letztlich in den USA heute eine Fusion technologischer Macht, finanzieller Macht, Medienmacht und politischer Macht in der Hand von Elon Musk.
34:43Und das ist für demokratische Gesellschaften, die sich pluralistisch organisieren wollen, nicht gut.
34:48Die Fragmentierung der Parteienlandschaft haben wir schon erwähnt.
34:53Wenn jetzt Leute ihre Nachrichten ausschließlich von TikTok und ähnlichen Plattformen her beziehen, das geht ja nicht in die Tiefe.
35:03Wenn auch einige der jungen Leute sagen, sie lesen die Zeitungen auf ihrem Telefon.
35:07Führt das zu, wenn man also nicht richtig informiert ist oder nicht wirklich tiefgründig informiert ist,
35:15führt das auch dazu, dass das politische System dann so sehr volatile wird?
35:22Also erstmal ist das ja nicht so trennscharf. Das wurde ja auch im Beitrag gesehen.
35:25Also die Zeitungen und Outlets sind ja auch präsent in den sozialen Medien.
35:30Also es sind ja nicht nur klassische Medien und soziale Medien, sondern da gibt es auch ganz viel Overlap.
35:34Und es gibt auch Journalisten, die zum Beispiel Posts von Politikern aufgreifen und die dann weiterentwickeln und so weiter.
35:39Also es gibt ganz, ganz viel Überschneidung zwischen diesen beiden Welten.
35:44Deswegen würde ich das gar nicht so ausdrücken.
35:46Aber problematisch sind doch eben die Algorithmen, also wie das funktioniert.
35:50Wenn man ein Thema halt liest mit einer bestimmten Ansicht, dass dann das Algorithmus so funktioniert,
35:57dass man immer die gleichen Sachen halt zugespielt bekommt.
36:00Und deswegen bleiben die Leute halt in den Buzzers.
36:03Und da braucht es eine gewisse Medienkompetenz auch, dass die Leute eben die Algorithmen verstehen.
36:06Und auch verstehen, wenn sie sich gerade eben in so einer Filterblase befinden.
36:09Ja, also wenn ich mich in X einschalte und das aktualisiere, dann habe ich als ersten Tweet,
36:19man sagt immer noch Tweet, immer einen von Elon Musk.
36:22Ja, genau.
36:24Komische Zufall.
36:26Das ist problematisch.
36:28Ich glaube das Kernproblem ist, was Sophia Russack vorhin auch gesagt hat,
36:32ist, dass diese Instrumente der Polarisierung dienen und die Algorithmen Polarisierung belohnen.
36:37Und das Ergebnis ist dann auch ein polarisiertes politisches System.
36:42Und die Frage ist, wie kommt man dann noch zusammen?
36:44Die Mitte wird ausgedünnt, die Pole werden gestärkt.
36:47Sowohl kulturell als auch ökonomisch-sozial geht man auf Extrempositionen.
36:52Am Ende muss ich aber in der politischen Wirklichkeit noch zusammenkommen.
36:57Und das wird deutlich.
36:59Und moralisieren, wenn ich das noch ergänzen darf.
37:01Moralisieren.
37:03Das sind Themen für die nächste Sendung.
37:05Mal gucken, mit wem wir das dann hier besprechen.
37:07Wir sind am Ende von Brüssel, meine Liebe, angelangt.
37:10Vielen Dank an unsere Runde, hier, heute.
37:12Und an unsere Zuschauer zu Hause.
37:14Wenn Sie die Unterhaltung fortsetzen möchten, egal zu welchem Thema,
37:17schreiben Sie an brusselmeineliebe.euronews.com oder in den sozialen Medien.
37:22Das war es für heute.
37:24Ich bin Stefan Grube, Ihnen eine angenehme Woche.
37:26Bis bald.