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Eine Schulklasse erinnert mit einem Stolperstein an einen Schüler, der von den Nazis ermordet wurde - und sie fragen eine Überlebende. Trotz ihres hohen Alters von 92 Jahren will Ingeburg Geißler weiter von den Schrecken des NS-Terrors erzählen.

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Transkript
00:00Das Holocaust-Projekt hat sie bewegt, denn es war ein ehemaliger Schüler ihrer Schule,
00:06der vor 82 Jahren von den Nazis ermordet wurde.
00:09Werner Spandau wurde vom Naziregime verfolgt und in verschiedene Konzentrationslager gesteckt,
00:15weil er sich gegen den Faschismus engagierte.
00:18Mit seiner Geschichte beschäftigten sich diese Schülerinnen aus Berlin-Friedenau.
00:23Höhepunkt des Projektes war die Verlegung einer Gedenktafel vor dem Wohnhaus von Werner Spandau.
00:30Ich habe es erst nicht realisiert, dass ich wirklich eine Geschichte von Menschen,
00:34die wirklich passiert ist, lese und erfahre.
00:37Aber dann ist mir immer aufgefallen, doch, das ist ja passiert.
00:41Ingeburg Geißler hat den Holocaust selbst erlebt.
00:44Vor sich die Bilder, die ihre Geschichte erzählen.
00:47Dieses Foto ließ ihre Mutter von ihr machen, als sie etwa neun Jahre alt war.
00:51Den Behörden wollte sie zeigen, dass Ingeburg doch nicht jüdisch aussehe.
00:56Ich weiß gar nicht, ob meine Mutti mir erklärt hat, wofür sie das Bild braucht.
01:03Kann ich nicht sagen.
01:05Aber später war mir das natürlich bewusst.
01:11Und ich habe dann, muss ich sagen, auch geguckt, ob da irgendwas Jüdisches ist.
01:18Ich habe nichts gefunden.
01:21Ingeburgs Vater ist Jude, die Mutter ist Christin.
01:24Der Vater kann noch rechtzeitig nach China emigrieren.
01:27Die Mutter versucht, unauffällig zu bleiben.
01:30Ingeburg Frank, wie sie damals hieß, bleibt bei Tante und dem Onkel in Erfurt-Mabach in Thüringen.
01:38Ich war die Einzige in Mabach, die ja dann auch mit dem Stern gehen musste.
01:44Dort gab es einen Lehrer, der hieß Möbis.
01:48Der war Ortsgruppenleiter der NSTHP.
01:53Und der hat den Kindern klargemacht, dass sie mit der Inge Frank machen können, was sie wollen.
02:02Sie sei vogelfrei.
02:04Und Kinder können sehr grausam sein.
02:08Ab 1941 darf sie nicht mehr zur Schule gehen.
02:12Ingeburg leidet darunter sehr.
02:15Ende Januar 1945 wird Ingeburg in das Konzentrationslager Theresienstadt transportiert.
02:21Der Ortspolizist lockte sie damit, dass sie dort wieder zur Schule gehen könne.
02:26Dort in dem Zug, als ich erzählte, was der Ortspolizist uns dargestellt hatte,
02:35da haben die Erwachsenen gesagt, das ist alles ein großer Irrtum.
02:45Wir werden getötet. Wir fahren in den Tod.
02:50Ingeburg schreibt eine Karte an die Tante und den Onkel und wirft diese aus dem Zug.
02:54Wie durch ein Wunder kommt die Karte an.
02:57Liebe Tante, lieber Onkel, es geht mir gut. Es ist alles gelogen. Ich komme nicht wieder.
03:05Ingeburg kam wieder.
03:07Anders als Werner Spandau und 6 Millionen Juden, die Opfer des Holocaust wurden.
03:12Die Schülerinnen fragen sich, wie es dazu kommen konnte.
03:16Wir überbringen Ingeburg Geißler die Fragen der Mädchen.
03:20Hat man bevor das Ganze passiert ist, das erwartet oder hat man das irgendwie kommen sehen?
03:26Viele intellektuelle, hochgebildete Wissenschaftler und so sind in Deutschland geblieben,
03:34weil sie dachten, so schlimm kann es schon nicht werden. Aber es wurde ihnen viel schlimmer.
03:42Wie war die Zeit nach dem Krieg, als es dann wieder weiterging und Leute wieder in die Schule gingen?
03:50Wie wurde dann mit Jüdinnen umgegangen?
03:54Ich wurde als Verfolgte des Naziregimes sehr gut in der DDR sozial betreut.
04:02Aber offiziell hat es niemand interessiert.
04:07Wenn ich mich so unterhalten habe mit Verwandten aus den alten Bundesländern,
04:14die nach dem Zweiten Weltkrieg die Schule besucht haben,
04:18da haben diese Dinge im Geschichtsunterricht auch keine Rolle gespielt.
04:24Ingeburg Geißler spricht auch deshalb seit über 30 Jahren mit Jugendlichen über die Nazizeit und ihre Kindheit.
04:31Denn für sie darf es nie wieder so weit kommen.
04:34Die Jugendlichen sorgen sich vor möglichen Parallelen, denn den Rechtsdruck registrieren sie schon.
04:40Dann hat man schon so ein bisschen Angst, wenn man in die Tagesschau guckt oder die Nachrichten.
04:46Bei TikTok gibt es ja auch immer so Sachen, wo man Hass gegen Ausländer hat.
04:55Und ich finde das irgendwie schon ein bisschen blöd.
05:00Deshalb wollen die Schülerinnen die Geschichte von Werner Spandau weitererzählen.
05:05Die Erinnerung an den Naziterror in Deutschland wollen sie wachhalten.

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