In his Christmas address, German President Frank-Walter Steinmeier called for unity in light of recent developments in the country. "Hatred and violence must not have the final word," Steinmeier said.
Category
🗞
NewsTranscript
00:00Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
00:03Hoffentlich ist endlich Weihnachten,
00:05habe ich letzte Woche noch viele Sagen hören,
00:08in Vorfreude auf den heiligen Abend
00:11und mit der Erwartung auf ein bisschen Ruhe und Entspannung.
00:15Inzwischen haben Sie wahrscheinlich das Schöne,
00:17das seit jeher zum Weihnachtsfest gehört,
00:20schon miteinander geteilt.
00:22Die guten Wünsche, die Bescherung, das besondere Essen.
00:27Manche haben vielleicht einen Gottesdienst besucht,
00:30Weihnachtslieder gesungen
00:32oder sich einfach darüber gefreut, zusammen zu sein.
00:37Frohe Weihnachten wünschen wir uns gegenseitig in diesen Tagen,
00:41aber über diesem Weihnachtsfest liegt auch ein dunkler Schatten.
00:46Trauer, Schmerz, Entsetzen, Fassungslosigkeit
00:51über das, was wenige Tage vor Weihnachten in Magdeburg geschehen ist.
00:56All das habe ich beim Gedenkgottesdienst am Samstagabend
01:00mit den Trauernden dort gespürt.
01:03Unsere Gedanken, unser tiefes Mitgefühl
01:06gelten heute den Angehörigen und Freunden der Menschen,
01:10die der Täter auf so grausame Weise getötet hat.
01:14Wir können nur erahnen, was sie durchmachen,
01:18welche Qualen sie erleiden.
01:21Nichts mehr ist in ihrem Leben wie zuvor.
01:23Ihre Pläne, Wünsche, Hoffnungen, ihr Lebensglück zerstört.
01:30Liebe Angehörige, die sie einen lieben Menschen verloren haben,
01:34ich weiß, in den vielen gut gemeinten Worten,
01:38die an sie gerichtet werden, können sie keinen Trost finden.
01:42Aber ich möchte ihnen heute sagen,
01:44sie sind mit ihrem Schmerz nicht allein.
01:47Die Menschen überall in unserem Land fühlen und trauern mit ihnen.
01:52Unsere Gedanken sind heute auch bei den Verletzten und Schwerverletzten.
01:58Von Herzen wünsche ich allen hoffentlich rasche Genesung.
02:02Und danken möchte ich auch allen, die am Abend des Anschlags
02:06und in den Tagen danach vor Ort Hilfe geleistet und Trost gespendet haben
02:11und dies auch jetzt in den Weihnachtstagen tun.
02:16Ich danke Ihnen, den Polizisten und Feuerwehrleuten,
02:19Sanitätern und Ärztinnen, den Seelsorgern und allen, die mitgeholfen haben.
02:24Ich danke Ihnen im Namen unseres ganzen Landes.
02:29Vielen wird das Herz schwer sein an diesem Weihnachtsfest.
02:32Viele werden aufgewühlt, verunsichert sein, vielleicht auch Angst haben.
02:38All diese Gefühle sind verständlich.
02:42Aber sie dürfen uns nicht beherrschen und sie dürfen uns nicht lähmen.
02:47Mein inständiger Wunsch ist heute, lassen wir das nicht zu.
02:51Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben.
02:55Lassen wir uns nicht auseinander treiben. Stehen wir zusammen.
03:00Zusammenhalt, wenn es darauf ankommt, das ist es doch, was unser Land ausmacht.
03:07Und zeigen wir das gerade jetzt.
03:11Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, zu Weihnachten gehört,
03:15dass man auch die trifft, denen man nicht täglich begegnet.
03:19Den Verwandten, die entfernter wohnen, Freunden von früher, Nachbarn.
03:26Und es gehört zu diesen Tagen auch, dass man einander erzählt,
03:30wie es jedem im vergangenen Jahr ergangen ist.
03:33Da wird an erster Stelle stehen, was in der Familie geschehen ist,
03:37im Freundeskreis, im Beruf, im Verein, in der Gemeinde.
03:43Aber auch vieles darüber hinaus wird bei Ihnen Gesprächsthema sein,
03:47was in unserem Land und was in der Welt geschieht und was das für uns bedeutet.
03:53Ich kann mir vorstellen, dass da vieles ist, was Ihnen auch Sorgen bereitet,
03:58große Sorgen sogar. Und mir geht es genauso.
04:02Es gibt immer noch Krieg in der Ukraine, im Nahen Osten,
04:06an viel zu vielen Orten in der Welt.
04:09Und bei uns, in unserem eigenen Land, viel Unzufriedenheit über Politik,
04:15Wirtschaft, über Bürokratie, über Ungerechtigkeiten.
04:20Der Ton in unserem Land ist im Alltag rauer geworden,
04:24zuweilen sogar unversöhnlich.
04:28Es gibt viele Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
04:32Wir können sie nicht umtauschen wie Geschenke, die uns nicht gefallen.
04:36Wir müssen offen aussprechen, was schlecht läuft,
04:39was in unserem Land nicht so funktioniert, wie es funktionieren könnte und sollte
04:44und vor allem, was dringend getan werden muss.
04:49Was kann uns, werden Sie gerade in diesen Tagen fragen, was kann uns Hoffnung geben?
04:54Wie können wir diese Herausforderungen bestehen?
04:58Ich bin überzeugt, es sind vor allem wir selbst und unsere Stärken,
05:03mit denen wir schon in der Vergangenheit große Aufgaben und Krisen gemeinsam gemeistert haben.
05:10Gemeinsinn und Tatkraft, Ideen, Reichtum und Fleiß, Mut und Ehrgeiz,
05:17nicht zuletzt Vertrauen in uns selbst.
05:21All das ist doch bei uns nicht verloren gegangen, all das ist doch lebendig.
05:25All dem begegne ich ja fast täglich und ich bin überzeugt,
05:29all das wird uns Wege in die Zukunft immer wieder neu öffnen.
05:34Und gerade den jungen Menschen will ich sagen, ihr werdet gebraucht,
05:39an vielen Stellen geradezu Händeringen gesucht.
05:43Und deshalb sage ich auch den Eltern und Großeltern,
05:46die sich um ihre Kinder und Enkel Sorgen machen,
05:49die jungen Menschen können, ich bin überzeugt, sie werden ihren Weg gehen.
05:56Genauso bin ich überzeugt, unsere Demokratie ist und bleibt stark.
06:0175 Jahre hat sich das Grundgesetz jetzt bewährt, 34 Jahre auch in unserem wiedervereinten Land.
06:09Diese kluge Verfassung wird uns auch in Zukunft tragen.
06:14Und auch wenn jetzt eine Regierung vorzeitig an ihr Ende gekommen ist,
06:19ist das nicht das Ende der Welt, sondern ein Fall, für den dieses Grundgesetz Vorsorge getroffen hat.
06:27Die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages und über Neuwahlen
06:31werde ich mit Sorgfalt nach den Weihnachtstagen treffen.
06:37Und Zuversicht geben mir auch die vielen, die ich überall in unserem Land treffe,
06:42die einfach tun, was sie als ihre Aufgabe begreifen und als gar nichts Besonderes ansehen.
06:49Diejenigen, die den Sportverein, den Chor, den Jugendtreff, die Landfrauen
06:54oder die Pfadfinder mit Energie und Optimismus am Laufen halten.
06:59Die dem Kind der alleinstehenden Nachbarin bei den Hausaufgaben helfen,
07:03die Einsame im Krankenhaus und im Hospiz besuchen,
07:07die, die sich freiwillig in der Feuerwehr engagieren.
07:11All diese wunderbaren Menschen, die an mehr denken als nur an sich selbst.
07:16All die leisten Großartiges und sie geben unserem Land Wärme und ein freundliches Gesicht.
07:25Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
07:28Feste wie Weihnachten schenken uns ein wenig Abstand von unserem Alltag.
07:34Nutzen wir diese Unterbrechung, um lebendig zu halten, was uns verbindet.
07:40Unsere Familie, unsere Freundschaften, all die Beziehungen, die uns Kraft geben
07:46und in denen wir selber so viel Gutes bewirken können.
07:50Weihnachten erinnert uns, wir leben nicht nur von dem, was wir selber machen und bewirken können.
07:58Wir leben oft noch mehr von dem, was wir geschenkt bekommen.
08:03Wir leben auch von manchem Guten, das uns unverhofft begegnet
08:07und von dem Glück, das andere uns bereiten.
08:12Das kann uns innere Kraft geben, jedem Einzelnen und uns allen gemeinsam.
08:18Und das kann uns für manches auch wieder ein bisschen dankbarer machen.
08:24In diesem Sinne wünschen meine Frau und ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest.