• vor 3 Monaten
Ara: History Untold ist ein faszinierendes Spiel für Game Designer und Kritiker. Denn während es in seinen Grundzügen Civilization nachahmt, wartet es gleichzeitig mit vielen interessanten Ansätzen auf und ändert bestehende Mechaniken in einer Art, deren tatsächliche Auswirkungen sich erst durch die Spielpraxis und eine tiefergehende Analyse wirklich erschließen. In unserem Test dröseln wir daher ein wenig genauer auf als sonst, was an dem neuen 4X-Strategiespiel im Vergleich zur Konkurrenz gut funktioniert und wo es sich in unausgegorenen Ideen verrennt.
Transkript
00:00Mit ARA History Untold greift Microsoft den langjährigen Genre-Platz Hirsch Civilization
00:11an und meint es richtig ernst.
00:15Immerhin erschien das Vorex-Spiel am 24.
00:17September für satte 60 Euro bei Steam sowie als Teil des hauseigenen Game Passes.
00:24Vor allem aber wurde mit Oxide ein Entwicklerteam aus federführenden Civilization 5-Hautigen
00:29mit der Aufgabe betraut, die Vormachtstellung des Vorbilds zu brechen.
00:33Ein halbes Jahr vor Release von Civilization 7 wäre das wohl auch ein guter Zeitpunkt
00:39gewesen, allerdings hat sich im Test dann doch gezeigt, dass ARA History Untold noch nicht
00:45so weit ist.
00:46Zwar ist es ein durchaus solides Spiel geworden, das sich einige Neuerungen traut, doch zu
00:52viel davon geht noch nicht richtig auf, was wir im Folgenden gleich noch genauer für
00:56euch aufdröseln werden.
00:58Das Kern-Gameplay von ARA dürfte euch vertraut sein.
01:09Ihr wählt einen historischen Anführer, der eurem Reich individuelle Vorteile bringt und
01:14springt ins Spiel.
01:16Da erkundet ihr von eurer ersten Stadt aus die Umgebung und durchsucht Ruinen und Lagerstätten
01:21nach etwas Loot.
01:23Ihr erforscht Technologien und baut Verbesserungen auf den Geländefeldern rund um eure Siedlung.
01:29Bald gründet ihr dann weitere Städte und hebt Armeen aus.
01:33Ihr schließt simple Abkommen mit euren KI-Gegnern oder bekriegt sie.
01:38Währendbei schreitet ihr durch die Epochen von der Steinzeit bis zur nahen Zukunft und
01:43errichtet auch wieder Wunder, die in ARA allerdings keine so zentrale Rolle spielen wie bei Civilization.
01:49So ähnlich sich also die Grundzüge sind, ändert sich doch auch einiges.
01:54Vor allem wirft ARA die Hexfelder über Bord.
01:58Stattdessen ist die Welt in zufällig generierte Provinzen eingeteilt, wo ihr eure Gebäude
02:03baut.
02:04Im Gegensatz zu Civilization seht ihr also alles, was ihr baut, auch auf der Karte, sei
02:09es ein Bauernhof, eine Fabrik oder ein Museum.
02:12Die Umgebung wird dann mit Behausungen und Straßen aufgefüllt, wodurch gleich ein viel
02:18organischerer Look entsteht als bei der Konkurrenz.
02:21Außerdem haben die Entwickler nicht an Details gespart.
02:24Wenn ihr nah heranzoomt, findet ihr überall liebevolle Details und Animationen.
02:30Allerdings gehen die in der Realität die meiste Zeit ziemlich unter, man spielt so
02:34einen Vorextitel halt nicht auf der niedrigsten Zoomstufe.
02:38Außerdem hat das System noch ein paar Probleme damit, das Stadtbild auch im späteren Spielverlauf
02:44interessant zu gestalten.
02:45Auch aufgrund der etwas langweiligen Topografie sehen die Städte dann doch immer etwas gleichförmig
02:52aus.
02:53Und das ist überhaupt ein Problem von ARA.
02:57Obwohl es viele gute Ansätze hat, kommt am Ende ein recht durchschnittliches Spielerlebnis
03:02raus.
03:03Denn es fehlt dem Spieldesign an echten Highlights.
03:07Es gibt relativ wenige wirklich wegweisende Entscheidungen zu treffen, sodass sich die
03:12Partien schnell ähneln.
03:14Das fängt damit an, dass sich die Nationen nur über die Vor- und Nachteile der Anführer
03:18definieren, sie haben aber keine einzigartigen Einheiten oder Gebäude oder auch nur wirklich
03:23besondere Fähigkeiten, die das Spielprinzip mal so richtig auf den Kopf stellen.
03:27In Civilization 6 eignet sich die eine Nation besonders gut für einen Religionsfokus und
03:34die andere für massenweise Kultur, während die dritte gar nur eine Stadt verwalten kann.
03:39Dasselbe gilt auch für die Wunder, die in ARA einfach ein wenig langweilig sind.
03:43In Civilization 5 oder 6 verändert zum Beispiel die Petra einen Spieldurchgang in der Wüste
03:49dramatisch.
03:50In ARA bringen Wunder vorrangig nur Prestige.
03:54Dieses Prestige ist allerdings Teil eines tatsächlich coolen Systems.
03:58Denn in ARA steuert ihr nicht auf einen Militär-, Diplomatie- oder Wissenschaftszieg, sondern
04:04sammelt Prestige.
04:06Alles was ihr tut und erreicht, fließt in euren Highscore und entscheidet nicht nur
04:10am Ende darüber, ob ihr gewinnt, sondern auch ob ihr zwischenzeitlich überhaupt in
04:15der Partie bleiben dürft.
04:16Denn ARA macht zweimal pro Spiel einen Cut und überprüft, ob ihr mithalten könnt.
04:22Dazu ist es in drei Akte eingeteilt, die jeweils vier Epochen umfassen.
04:27Ihr schreitet also von Zeitalter zu Zeitalter, indem ihr eine Mindestzahl an Technologien
04:31erforscht und überflüssige einfach auslasst.
04:35Sind genügend Nationen in der fünften Epoche angekommen, läutet das Akt 2 ein und nun
04:41wird aussortiert.
04:42Der zweite Akt hat begonnen.
04:44Aufgrund unseres bescheidenen wirtschaftlichen Erfolges belegen wir unter den Nationen aber
04:50nur Rang 3.
04:51Alle Nationen, die einen gewissen Schwellenwert beim Prestige nicht erreichen, fliegen aus
04:56der Partie.
04:57Zurück bleiben nur ein paar Ruinen, die ihr plündern könnt und natürlich zusätzlicher
05:02Platz zum Besiedeln.
05:03Das hört sich vielleicht ein wenig harsch an, gibt dem Spiel aber eine interessante
05:09strategische Note, denn besonders Kriege wollen nun wohl überlegt sein.
05:14Eine Kriegserklärung kostet nämlich ordentlich Prestige und kann euch, wenn ihr nicht aufpasst,
05:20unter die Schwelle drücken, obwohl ihr gerade eure Nachbarn fertig macht.
05:24Und wo wir schon beim Thema sind, die Gegner-KI ist leider wieder ähnlich dumm wie bei Civilization
05:31und hat keinen echten Plan, was sie tut.
05:34Dementsprechend ist auch die Diplomatie wieder maximal einfach gehalten.
05:38Vereinfacht wurde darüber hinaus auch der Krieg selbst, auch wenn man das erstmal gar
05:44nicht merkt, weil sich ARA wirklich furchtbar schlecht selbst erklärt und selbst Genre-Veteranen
05:49sich mühsam zurechtfinden müssen.
05:50In ARA führt ihr nämlich keine einzelnen Angriffe pro Einheit und Runde aus, sondern
05:57schickt einfach eure Armeen in das Feld des Gegners und seht sowas passiert.
06:01Das Terrain spielt dabei keine Rolle, es geht mehr oder weniger nur um die Stärkebewertung
06:06der Einheiten.
06:07Was als Entschlackung gedacht ist, macht die Kämpfe allerdings recht eindimensional.
06:13Ihr könnt keine bestimmten Einheiten fokussieren oder kontern und dürft euch noch nicht mal
06:18zurückziehen.
06:19Positiv ist dagegen, dass das System das lästige Herumziehen von Einheiten eliminiert.
06:24In ARA steht sich niemandem im Weg, was das Micromanagement deutlich verringert.
06:29Neben der Option Einheiten zu Armeeverbänden zusammenzufassen, ist das so allerdings nur
06:35möglich, weil in ARA alle Kontrahenten gleichzeitig planen, die Befehle aber erst am Rundenende
06:41ausgeführt werden.
06:42Gerade für den Multiplayer bedeutet das, dass es nicht mehr darauf ankommt, wer zuerst
06:47dran ist oder schneller klickt.
06:50Richtig auffällig und gut ist dabei, dass die Rundenberechnung extremst kurz ist.
06:55Auf unserem Testsystem konnten wir die meiste Zeit einfach nahtlos weiterspielen.
06:59Und das allein ist schon ein großer Pluspunkt gegenüber der Konkurrenz.
07:04Ansonsten ist ARA allerdings in keinem so guten technischen Zustand.
07:09Besonders auf mittleren oder nahen Zoomstufen schaffte es das Spiel bei uns auf hohen Grafikeinstellungen
07:15meistens nur auf 35 bis 50 Bilder pro Sekunde.
07:19Und bei Steam klagen viele Käufer, dass das Spiel bei ihnen ähnliche Probleme macht oder
07:25gleich gar nicht läuft.
07:26Wenn ihr euch für ARA interessiert, solltet ihr also besser noch ein bisschen warten, bis
07:31die Performance verbessert wird.
07:32Doch auch sonst dürfte ARA einen schwierigen Stand haben, denn es visiert eine viel zu
07:38enge Zielgruppe an.
07:40Durch unzureichende Tutorials und Hilfestellungen ist die Einarbeitungsphase ungewöhnlich lang
07:46und zäh und, was noch schwerer wiegt, das Spiel artet wegen seines Wirtschaftssystems
07:52in Arbeit aus.
07:53Denn ARA History Untold setzt auf ein kleinteiliges Crafting-System.
07:58Ihr bewirtschaftet ein Feld mit einer Schafherde, nicht um wie bei Civilization mehr Produktion
08:05zu bekommen, sondern um entweder ein Masttier oder Wolle zu generieren.
08:09Ressourcen wie die Wolle verarbeitet ihr dann zu Gütern weiter, die entweder ihrerseits
08:14als Ausgangsressource dienen oder als Produktionshelfer in Betrieben zum Einsatz kommen oder als Annehmlichkeit
08:20in einer Stadt, die dortige Lebensqualität für 10 Runden verbessert.
08:24Das wiederum wirkt sich auf Produktivität, Wachstum, Bildung, Steuern und Kampfstärke
08:30aus und ist der Hauptzweck des Craftings.
08:33Wir können hier im Video jetzt nicht auf die vielen Kleinigkeiten und Fallstricke dieses
08:38Systems eingehen.
08:39Wenn euch das interessiert, dann schaut euch bei uns auf der Website unseren ausführlichen
08:43Test an.
08:44Doch zusammengefasst kommt das Management der Produktion der Aufstellung eines 5-Jahres-Plans
08:50im Büro der staatlichen Planungskommission der DDR gleich.
08:54ARA zwingt euch dazu, ständig alle Gebäude zu überprüfen, um zu checken, ob die noch
08:58die richtigen Waren produzieren, ob Ausgangsressourcen fehlen, ob neue Produktionsmethoden zur Verfügung
09:04stehen oder ob ihr einen Betrieb upgraden könnt.
09:07Und bei den Annehmlichkeiten der Städte ist es dasselbe.
09:11ARA weist euch praktisch nie darauf hin, wenn irgendwo irgendwas ausgeht und bietet gleichzeitig
09:17auch keine Komfortmechaniken und Automatisierungen an.
09:21Das höchste der Gefühle sind ein paar Listenmenüs.
09:23Eine vernünftige Übersicht eurer Wirtschaft sucht ihr vergeblich.
09:28Statt euch auf die großen Entscheidungen einer Nation zu konzentrieren, seid ihr in
09:33ARA also hauptsächlich damit beschäftigt, eure Produktion bei der Hand zu nehmen und
09:37zu entscheiden, ob eine Werkstatt jetzt Körbe oder Fässer produzieren soll und welche Ressourcen
09:43sie dafür bekommt.
09:44Besonders schlimm ist daran, dass das eine reine Fleißaufgabe ist.
09:49Echte Entscheidungen sind damit kaum verbunden.
09:52Ihr könnt euch schließlich nicht auf die Produktion von Pökelfleisch konzentrieren
09:56und dafür keine Metallwerkzeuge produzieren.
09:59Und so ist ARA History Untold zwar eigentlich kein schlechtes Spiel, es macht sich nur selbst
10:05das Leben völlig unnötig schwer.
10:07Die schlechte Spielerführung, eine gewisse Beliebigkeit der Nationen und das ausufernde
10:12Crafting-System überschatten die guten Ideen ein Stück weit, weil sie am Ende nicht genügend
10:18Highlights erzeugen, um etwa mit Civilization 6 oder Old World mithalten zu können.
10:23Wer allerdings viel Geduld mitbringt und minutiöse Planung genießt, kann ARA History Untold dennoch
10:30eine Chance geben.
10:31Denn trotz aller Kritik kann das Spiel auch mit einigen sehr guten Ideen punkten, etwa
10:36dem Provinzsystem, der Grafik und der Zeitaltermechanik.
10:40Und ganz abgesehen davon ist das grundlegende 4X Kern-Gameplay einfach unverwüstlich.
10:53However you choose to change the world, one thing is certain, history will never be the same.

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